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Glaubt man aktuellen Umfragen, so vertraut nur noch eine Minderheit dem geltenden Pensionssystem. Vor allem jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren bezweifeln, dass sie sich bei der Altersvorsorge noch auf den Staat verlassen können. Die Probleme hängen damit zusammen, dass die Alterspyramide ihr klassisches Aussehen längst verloren hat.
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Wenn heute bereits jeder fünfte Österreicher älter als 60 Jahre ist, so wird es in vier Jahrzehnten bereits jeder dritte sein. Denn der Geburtenrückgang dürfte langfristig trotz des wahrscheinlich nur vorübergehenden Anstiegs der Geburtenziffern in den ersten elf Monaten 2002 tendenziell anhalten. Bis 2050 ist damit zu rechnen, dass gemessen an der Gesamtbevölkerung Österreichs der Anteil der Personen unter 15 Jahren von 16,5 auf 13,2 Prozent sinkt, zur Altersgruppe zwischen 15 und 60 Jahren werden dann statt 62,3 nur noch 52,0 Prozent zählen, doch der Anteil der Über-60-Jährigen wird dann voraussichtlich 34,8 statt 21,2 Prozent betragen.
Zuwanderung hilft kaum
Das damit auf unsere Gesellschaft enorme Probleme zukommen, liegt auf der Hand. Können die immer schwächer werdenden jüngeren Jahrgänge für die vielen Senioren aufkommen? Und wenn sie schon so viele Alte erhalten müssen, sind sie dann nicht noch weniger geneigt, auch noch für Kinder zu sorgen? Wenn aber der Geburtenrückgang sich noch verschärft, wird die Situation - auch durch die nach wie vor steigende Lebenserwartung - noch dramatischer. Selbst massive Zuwanderung dürfte die Ausfälle an Geburten nicht ausgleichen können, sagen Bevölkerungsexperten wie Rainer Münz. Dabei birgt Zuwanderung immer auch die Gefahr sozialer Spannungen.
Ursachen und Wirkungen
Der Rückgang an Geburten ist ein Faktum mit Ursachen und Wirkungen. Die Ursachen liegen im Wesentlichen darin, dass Kinder zunehmend als Hindernis für die "Inszenierung des eigenen Lebens" - so der Wiener Pastoraltheologe und Werteforscher Paul Zulehner - empfunden werden, während man sie früher als Bereicherung, aber auch - wie heute noch in anderen, ärmeren Ländern - als Arbeitskräfte oder lebende Altersvorsorge ansah. Zugleich sind Empfängnisverhütung und Abtreibung erleichtert beziehungsweise weithin gesellschaftlich akzeptiert worden, während hinsichtlich der Anerkennung von Kinderbetreuung oder der Vereinbarkeit von Beruf und Hausarbeit relativ wenig geschehen ist.
Die Auswirkungen betreffen nicht nur das Pensionssystem, dem bald die nachwachsenden Einzahler fehlen, sie schlagen sich auf dem ganzen Arbeitsmarkt, aber auch im Bildungswesen nieder. Längst sind Studien erstellt, die auf eine starke Reduzierung von Lehr- und Kindergartenpersonal hinauslaufen (zum Glück gehen in den nächsten Jahren ohnedies viele Pädagogen in Pension). Die Wirtschaft wird viele Arbeitskräfte aus dem Ausland holen müssen, die Karrierechancen sind trotzdem nicht rosig, wenn man sich nicht beste Qualifikationen erworben hat. Und schließlich wird der Arbeitsmarkt für Sozial- und Pflegeberufe boomen.
Denn die Sorge um die alten Menschen wird kaum mehr innerhalb der Familie zu leisten sein, wie es derzeit noch der Fall ist: Meist kümmert sich um die Hochbetagten, also Personen im Alter von 80 oder mehr Jahren, in erster Linie die Generation ihrer Kinder, also Menschen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren. Kommen aber derzeit auf zehn Hochbetagte noch 47 Menschen dieser jüngeren Generation, so werden es 2041 nur noch 21 sein. An diesen Zahlen lässt sich nicht rütteln, weil ja die Stärke dieser Jahrgänge bekannt ist und sich die Sterberaten kaum wesentlich verändern werden.
Von familienpolitischen Maßnahmen ist kaum eine Vermehrung von Geburten zu erwarten. Kritische Stimmen bringen sie mitunter mit nationalen Motiven in Verbindung, erinnern an das "Mutterkreuz" der NS-Zeit oder an rechte Parolen gegen eine "Umvolkung", da Zuwanderer meist noch mehr Kinder haben als "Ureinwohner" (sofern es solche in Österreich noch gibt). Dabei sind sich Experten einig, dass ein leichter Geburtenrückgang verkraftbar ist. Derzeit zeichnet sich freilich ein Ausmaß ab, das tatsächlich große Schwierigkeiten erwarten lässt - für die Generationen, die sich zu einem großen Teil nicht für Kinder entscheiden konnten und können, und für ihre - spärlichen - Nachkommen.