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Wenige Migranten machen eine Lehre

Von Richard Solder

Politik
Iwan (r.) und Kollege studieren die Infos zur Berufsorientierung von "Jugend am Werk".

Experten fordern mehr Beratung an Schulen. | Auch migrantische Unternehmer sind stärker gefordert.


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Wien. Rund 70.000 bis 100.000 dringend benötigte Fachkräfte könnte Österreich durch gezielte Zuwanderungspolitik und erfolgreiche Integration bereits im Land befindlicher Migranten dazugewinnen, meinte jüngst Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Gerade, was Migranten in Summe betrifft, gibt es jedoch große Herausforderungen: So fehlt vielen von ihnen die nötige Ausbildung. In der Praxis ist es jedoch auch nicht immer leicht, eine solche zu erlangen.

Madalina-Bianca etwa spricht einwandfrei Deutsch. Dabei ist sie erst vor vier Jahren nach Österreich gekommen. Die gebürtige Rumänin will eine Lehre zur Bürokauffrau machen. Doch trotz Bewerbungen und ersten Vorstellungsgesprächen ging die 17-Jährige bisher leer aus. "Ich nehme das schon persönlich und denke mir, das ist vielleicht, weil ich hier neu bin", sagt Madalina-Bianca. Nun soll "Jugend am Werk" helfen, wo sie momentan eine über das Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelte Berufsorientierung für Unter-18-Jährige besucht.

Anfang September beginnt ein neues Lehrjahr. Im Schuljahr 2009/2010 hatten nur 8,8 Prozent der Berufsschüler eine andere Muttersprache als Deutsch. In den Polytechnischen Schulen, die viele Jugendliche davor besuchen, waren es 23 Prozent. Wie viele davon die Ausbildung wirklich abbrechen, lässt sich anhand dieser Zahlen nicht sagen. Laut einer Studie aus 2010, die vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend in Auftrag gegeben wurde, scheiden jedoch rund ein Drittel bis maximal die Hälfte aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund ohne weiterführenden Abschluss aus dem Bildungssystem aus.

Migrantische Unternehmen haben oft keine Lehrlinge

Alfred Freundlinger, Bildungspolitik-Experte der Wirtschaftskammer (WKO): "Es ist bekannt, dass im gesamten Berufsbildungsbereich der Migrantenanteil unterdurchschnittlich ist." Bei der Lehre habe das unter anderem damit zu tun, dass migrantische Unternehmer selbst oft keine Lehrlinge ausbilden. Laut Freundlinger aus zwei Gründen: Auf der einen Seite hätten migrantische Unternehmer diese Ausbildungsmöglichkeit nicht immer auf dem Radar: "Die Lehre stellt eine Tradition dar, die sich vor allem auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, Menschen aus anderen Ländern denken oft gar nicht daran", erklärt Freundlinger.

Die Wirtschaftskammer beschäftigt aktuell drei Berater, die österreichische Unternehmen motivieren sollen, eine Lehre anzubieten.

Der zweite Grund, warum migrantische Unternehmer in vielen Fällen keine Lehrlinge anstellen: Für manche ist es laut Freundlinger schwierig, sich mit den Rahmenbedingungen zu arrangieren. Beispiel Gastronomie: Koch-Lehren dürfen auch in Restaurants mit spezieller, "ethnischer" Küche nicht nur die eigene Kochkunst vermitteln. Die Auszubildenden sollen ein breites Spektrum der hierzulande üblichen Techniken lernen und sich auch mit heimischer Kost auseinandersetzen. Lehrlinge, die in einem türkischen Restaurant arbeiten, müssten also mitunter wissen, wie man Schweinefleisch richtig verarbeitet. Auch bei Kellner-Lehren gibt es ähnliche Beschränkungen.

Beim türkischen Lokal Kent in Wien-Ottakring ist diese Regelung ein Grund, warum man bis heute keine Lehrlinge einstellt: "Wir haben uns vor ein paar Jahren unter anderem deswegen dagegen entschieden. Aber es wäre es schon eine Überlegung wert", sagt Kent-Geschäftsführer René Mimlich.

Die Computer-Firma DiTech ist da schon weiter: "Wir beschäftigen rund 30 Prozent Lehrlinge mit Migrationshintergrund", so Mitgründerin und Personalchefin Aleksandra Izdebska.

Bernhard Achitz vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) tritt für eine Bewusstseinsbildung bei den Unternehmen ein. Dazu müsse man die Deutsch-Kompetenzen der Jugendlichen mit Migrationshintergrund fördern: "Viele haben bei Aufnahmsprüfungen Probleme", so der leitende ÖGB-Sekretär für den Bereich Grundsatz.

Einig sind sich Experten, dass mehr Berufsinformation an Schulen nötig ist. Josef Galley, Sprecher im Unterrichtsministerium, verweist auf ein Maßnahmenpaket inklusive einer verpflichtenden Berufsberatung in der Neuen Mittelschule, das bereits auf dem Weg sei. Die Polytechnischen Schulen sollen ab Herbst zu einer attraktiveren Schulform mit einer intensiveren Berufsorientierung umgewandelt werden.

Derzeit hängt laut Freundlinger noch viel von den einzelnen Schultypen ab: "In der AHS wird zu wenig gemacht. In den Polys ist die Vorbereitung auf das Berufsleben grundsätzlich gut, funktioniert in der Praxis allerdings leider oft nur noch auf dem Land", meint der WKO-Referent.

Die Erfahrungen der Kursteilnehmer beim "Jugend am Werk"-Coaching machen jedenfalls Unterschiede deutlich: "In der Schule habe ich mich nicht ausreichend informiert gefühlt", erinnert sich Madalina-Bianca, die eine Kooperative Mittelschule besuchte.

Ihr Kurskollege Iwan hatte diesbezüglich eine bessere Einrichtung erwischt. Der 17-Jährige mit kroatischen Wurzeln war vor dem Sommer-Kurs in einer Fachschule. Dort präsentierten sich unter anderem Firmen-Vertreter. "Die Schule hat sich bemüht", so Iwan, der eine Buchhalter-Lehre anstrebt und fast täglich Bewerbungen schreibt.

Leitl sieht auch das AMS gefordert. Er verlangte am Montag ein verstärktes Angebot von Betriebspraktika speziell für Menschen aus Zuwandererfamilien, bereits existierende AMS-Kurse könnten noch besser auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingehen, etwa durch Deutschkurse, die der Facharbeiterintensivausbildung vorangehen. Für bestimmte migrantische Zielgruppen sollte es eine Kombination aus Lohnkostenzuschuss für Betriebe und Weiterbildungsmaßnahmen geben.

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