Ökonomen fordern strukturelle Maßnahmen statt kurzfristiger Projekte.
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Brüssel. Sechs Milliarden Euro haben oder nicht haben macht einen Unterschied. Und das ist schon die einzige unbestrittene These. Denn weit gehen bereits die Interpretationen darüber auseinander, ob diese Summe für Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit ausreichend oder viel zu gering ist, die Mittel effizient verwendet werden können oder ohne Wirkung verpuffen, ob dieser Schwerpunkt überhaupt vernünftig gesetzt oder eher populistischen Überlegungen geschuldet ist. Jedenfalls ist die wachsende Arbeitslosigkeit, von der Unter-25-Jährige meist stärker betroffen sind, zunehmend in den Fokus der EU-Politiker gerückt. In der Union ist mittlerweile jeder zehnte Mensch ohne Job, in mehr als einem Drittel der Mitgliedstaaten ist es jeder vierte Jugendliche.
Diese Länder will die EU nun bei ihren Beschäftigungsprogrammen unterstützen. Darin sollen in den kommenden zwei Jahren sechs Milliarden Euro aus dem Unionsbudget fließen. Das haben die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel bestätigt. Dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, schlossen sie dabei nicht aus: Sollten Mittel aus dem gemeinsamen Haushalt nicht ausgeschöpft werden, könnten mit ihnen "insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit finanziert werden", heißt es in dem Schlussdokument des Gipfels.
Die Debatte darüber, ob die Summe ausreicht, ist noch entbrannt, bevor diese beschlossen wurde. Frankreich hat sich mehr Mittel gewünscht, Deutschland war dagegen. "Wir müssen das Geld effizient einsetzen, vom ersten Tag an wissen, was wir damit tun", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Mobilität gehört gefördert"
Qualität findet auch ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann wichtig, betonte er nach dem Treffen. Mit dem Geld könnte zum Beispiel duale Ausbildung gefördert werden, was wiederum der Wettbewerbsfähigkeit der Länder nutzen würde. Die sechs Milliarden Euro seien zwar keine riesige Summe: "Eigentlich würden wir sechs Milliarden jährlich brauchen." Doch sei es ein wichtiger Schritt, meinte Faymann.
Nach Angaben aus dem Bundeskanzleramt stehen in Österreich jährlich 175 Millionen Euro für die Ausbildungsgarantie zur Verfügung. Damit werden an die 12.000 Plätze für junge Menschen finanziert. Ein solches Modell auf die Eurozone hochgerechnet würde rund 21 Milliarden Euro pro Jahr kosten. In manchen Ländern würde es allerdings nicht einmal greifen, weil es schlicht an Betrieben mangelt, die die nötige Ausbildung anbieten können.
Mehr Mittel fordert daher nicht nur das EU-Parlament, sondern auch etwa die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Die Kosten der Arbeitslosigkeit selbst seien nämlich weit höher und können einer Volkswirtschaft über Jahre Schaden zufügen, lautet das Argument. Allerdings seien strukturelle Änderungen zur Stärkung des Arbeitsmarktes ebenso wichtig.
Darauf weisen auch andere Experten hin. Deswegen sei es nicht zielführend, Geld in kurzfristige Maßnahmen zu setzen, wenn die Probleme sowieso nur längerfristig zu lösen seien. Auch sei der Fokus auf Jugendliche viel zu einseitig. "Durch die Betonung darauf erwecken die Politiker nur den falschen Eindruck, dass sie tatsächlich rasch etwas dagegen unternehmen können", sagt etwa Mikkel Barslund von der Denkfabrik CEPS (Centre for European Policy Studies).
Die Ökonomen von CEPS führen Statistiken an, die die hohen Arbeitslosenraten relativieren. So seien in Griechenland nur neun Prozent der 15- bis 19-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt; der Anteil der Jobsuchenden in dieser Altersgruppe beträgt sechs Prozent.
Was die EU statt fragwürdiger Programme eher fördern könnte, wäre die Mobilität der Arbeitnehmer, stellt Barslund fest. Dabei könnte die EU-Kommission mehr Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben. Diese haben nämlich noch lange nicht alle Hürden auf ihren Arbeitsmärkten abgebaut. Unterschiedliche Sozialsysteme, bürokratische Hemmnisse und andere Beschränkungen untergraben weiterhin die Idee des Binnenmarktes.