Die Anzahl der Bauernhöfe sinkt, die Größe wächst. Allein die Biobauern-Sparte floriert.
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Wien. Füttern, melken, ernten. Die Arbeit, die Bauern leisten, hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Der Unterschied liegt allerdings im Wie: Was früher Bauer und Bäuerin selbst erledigten, übernehmen heute großteils Maschinen. Es geht um Effizienz und noch mehr Effizienz. Um Leistungssteigerung und technischen Fortschritt.
Parallel dazu hat das voranschreitende Bauernsterben zu Expansionen der verbliebenen Bauern geführt. Die Anzahl der Betriebe sinkt somit zwar weiterhin, und zwar europaweit, die durchschnittliche Betriebsgröße ist im Gegensatz dazu allerdings massiv gestiegen.
Grundsätzlich sterbe ja jeder Bauer irgendwann, sagt dazu Josef Siffert von der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, offiziell spreche man daher von "Strukturwandel". Wenn also ein Bauer nicht unbedingt stirbt, aber aufhört, der keinen Nachfolger in der Familie für den Hof hat, "heißt das nur, dass ein anderer Bauer größer wird".
Hofübernahmen wie diese - durch Kauf oder Pacht - haben dazu geführt, dass die Gesamtfläche, die ein Betrieb bewirtschaftet, von durchschnittlich 18,8 Hektar im Jahr 1951 auf 45,7 Hektar 2016 gestiegen ist. Die Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ist indes im selben Zeitraum laut Statistik Austria von 432.848 auf 162.018 gesunken, die bewirtschaftete Fläche (etwas mehr als 7 Millionen Hektar) blieb relativ konstant.
Spitzenkühe mit Rekordleistung
In anderen Worten: Während ein Landwirt im Jahr 2000 insgesamt 67 Menschen mit seinen Nahrungsmitteln ernährte, seien es heute 130, sagt Siffert. Der Nahrungsverbrauch pro Kopf blieb dabei relativ konstant - die gesamte Nahrungsmittelproduktion steigt jedoch stetig an. Dem "Grünen Bericht" des Umweltministeriums zufolge wuchs diese in 15 Jahren um rund sieben Prozent, während die Anzahl der Landwirte im selben Zeitraum um 34 Prozent sank. Gleichzeitig stieg aufgrund des besseren Futters und der voranschreitenden Züchtung zum Beispiel auch die Leistungsfähigkeit der Milchkühe. Eine Spitzenkuh, wie Siffert sie nennt, gebe heute bis zu 10.000 Kilogramm Milch pro Jahr. In den 60ern waren es nicht mehr als 3000 Kilogramm.
Somit gibt es zwar immer weniger Bauern - diejenigen, die bestehen bleiben, erwirtschaften jedoch größere Erträge. Vom Bauernschwund ist allerdings nicht jede Sparte gleichermaßen betroffen. Ganz im Gegenteil. Betrachtet man die Entwicklungen im Detail, so sticht vor allem ein Bereich ins Auge: die Biolandwirtschaft. Seit der ersten Biomilch, die 1994 auf den Markt kam, kommen stetig neue Produkte und Betriebe dazu. Heute sind es bereits 23.680 - um rund 6000 mehr als um die Jahrtausendwende. Die bewirtschaftete Fläche stieg im selben Zeitraum von rund 455.000 auf heute 634.000 Hektar an, so die Zahlen von "Bio Austria", dem Verband der Biobauern.
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Das mag zum einen am wachsendenden Bewusstsein der Konsumenten für Bioprodukte, zum anderen an den Förderungen liegen. Letztere bilden sich bei der Entwicklung der Bergbauern ebenfalls ab, die übrigens je nach Einstufung auch am Fuße eines Berges leben können: Seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union 1995, also seitdem es EU-Förderungen gibt, hat sich der Rückgang der Bergbauernbetriebe deutlich verlangsamt. Aktuell gibt es rund 60.000.
Das Agrarbudget, aus dem Zahlungen an land- und forstwirtschaftliche Betriebe fließen, schrumpft (2012: 2,2 Milliarden Euro; 2016: 1,9 Milliarden Euro), und die EU-Förderungen sollen stark gekürzt werden - Österreich steht laut Umweltministerium ein Verlust von 82 Millionen Euro EU-Mittel jährlich bevor. Der Anteil für die Biobauern ist jedoch gestiegen. Aktuell liege er bei 120 Millionen Euro pro Jahr, sagt Sylvia Schindecker von der LK. Die Kriterien, sich Biobauer nennen zu dürfen, seien dafür streng.
Über Saatgut- und Düngerzukäufe muss zum Beispiel penibel Buch geführt werden, und alle Futtermittel müssen biotauglich sein. Die Tierhaltung muss den Biorichtlinien entsprechen (zum Beispiel Gruppenhaltung bei Kälbern), und die Weideverpflichtung muss mittels Weiderechner dokumentiert werden. Führt ein Landwirt eine Bio- und eine konventionelle Schiene, dürfen diese laut Schindecker in keinem Zusammenhang zueinander stehen. Biohühner zu halten und konventionellen Wein anzubauen, ist somit möglich - konventionelles Getreide jedoch nicht, weil es als Hühnerfutter verwendet werden könnte. Mindestens einmal jährlich finden unangekündigte Kontrollen in den Betrieben statt.
Insgesamt werden Österreichs Landwirte wie gesagt mit rund 1,9 Milliarden Euro jährlich gefördert. Mehr als die Hälfte davon (61 Prozent laut "Grüner Bericht") kommt von der EU, der Rest von Bund (17 Prozent) und Ländern (22 Prozent).
Etwa 700 Millionen Euro davon, die zu 100 Prozent aus den EU-Geldern stammen, fließen in die Marktordnungsausgaben wie Ausfuhrerstattungen und Verarbeitungsbeihilfen (1. Säule). Mit rund 870 Millionen Euro, eine Kombination aus Geldern der EU, des Bundes und der Länder, wird die ländliche Entwicklung gefördert (2. Säule). Damit sind stets Leistungen und keine Produkte gemeint. Bauern, die zum Beispiel bestimmte Leistungen für die Umwelt erbringen und weniger düngen, wie Bergbauern und Biobauern, erhalten Förderungen aus diesem Topf. Und dann gibt es noch die sogenannten sonstigen Maßnahmen, in die die verbleibende Differenz auf die insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro Agrarbudget fließt. Darunter fallen Zuschüsse zur Ernte- und Risikoversicherung und Verkehrserschließung.
"Jeder Bauer wird gefördert"
Je größer ein Betrieb, desto mehr EU-Förderungen erhält er. 30 Prozent fließen somit derzeit an 1,5 Prozent der Landwirte. Die Deckelung liegt bei 150.000 Euro pro Betrieb, die laut Siffert 125 Betriebe erreichen. Im Rahmen des nächsten EU-Budgets 2021 bis 2027 sollen nun Direktzahlungen an die Bauern ab 60.000 Euro gekürzt und bei 100.000 Euro je Betrieb gedeckelt werden. Die SPÖ hatte sich im Vorfeld für eine Deckelung bei 25.000 Euro ausgesprochen.
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</span>Es gebe keinen Bauern, der keine Förderung erhalte, sagt Siffert. Zwei Drittel des landwirtschaftlichen Faktoreinkommens, das laut der zweiten Vorschätzung der Statistik Austria 2017 bei rund 2,6 Milliarden Euro lag, sind Förderungen. Die Einkommenssituation der Bauern schwankt, hängt vom Wetter ab und ist dem Klimawandel unterworfen. Der Statistik Austria zufolge stieg das reale landwirtschaftliche Einkommen (gemessen als preisbereinigtes Faktoreinkommen je Arbeitskraft) 2017 um 18,8 Prozent an - nach einem Anstieg um 12,3 Prozent im Jahr zuvor. Das sei hauptsächlich auf die Erholung der Milchpreise sowie die gute Weinernte zurückzuführen, so die Statistik Austria. Davor hatte es eine vierjährige Durststrecke gegeben.
Bäuerin als Marketingexpertin
Diese Schwankungen sind vielleicht mit ein Grund, warum heute mehr als die Hälfte der Betriebe im Nebenerwerb geführt werden. "Mehrheitlich bleiben die Frauen daheim, weil der Mann mehr verdient", sagt dazu Franz Höllinger vom Institut für Soziologie an der Uni Graz, der die Situation der Bauern von diesen selbst bewerten ließ. Die Rolle der Bäuerin dürfte sich demnach jedoch verändert haben. "Die Entscheidungsmacht lag bei den Männern. Heute sind Frauen Mit-Entscheiderinnen", so Höllinger. Der Druck, betriebswirtschaftlich zu denken und Produktionskonzepte zu entwickeln, habe für die Bäuerinnen neue Arbeitsbereiche wie Marketing, Buchhaltung und Direktvermarktung geschaffen.
Die Kinder der Bauern bleiben vorerst meist nicht am Hof, sondern gehen in die Stadt, um sich weiterzubilden. Zurück kommen Maturanten, Absolventen einer landwirtschaftlichen Schule oder der Boku. Laut einer Studie des Umweltministeriums hat etwa die Hälfte der angehenden Junglandwirte Matura, und sechs Prozent sind Akademiker. Mehr als 90 Prozent sind überzeugt, dass eine qualifizierte landwirtschaftliche beziehungsweise unternehmerische Weiterbildung die Chancen, erfolgreich zu wirtschaften, erhöht.