Vereine fürchten Bundesheerreform. | Es fehlt an Geld und Anwärtern.
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Wien. Erst am Montag waren sie von Präsident Heinz Fischer feierlich verabschiedet worden: Rund 45 österreichische Gedenkdiener haben sich an dem Tag aufgemacht, um an einer NS-Gedenkstätte in Deutschland, Polen, England, Australien, Argentinien oder den USA als Deutsch-Übersetzer, Museumsführer, Archivar und Abfasser von Zeitzeugenberichten zu arbeiten.
Allerdings hat der Dienst an der Gesellschaft seit seiner Einführung in den frühen 1990er-Jahren einiges an Strahlkraft eingebüßt. Das beklagt zumindest der Vorsitzende des in Wien ansässigen Vereins „Niemals vergessen”, Rudolf Kaske, im Gespräch mit der „Wiener Zeitung”.
Demnach würden sich seit geraumer Zeit immer weniger Freiwillige für einen 12-monatigen Aufenthalt im Konzentrationslager oder einer ähnlichen NS-Gedenkstätte im Ausland melden. Als Gründe nennt der Vereinschef, der gleichzeitig auch der Gewerkschaft Vida vorsteht, unter anderem Kürzungen bei den Förderungen durch das Innenministerium und die angekündigte Heeresreform.
„Wenn jetzt die allgemeine Wehrpflicht tatsächlich wegfällt, wird man schauen müssen, in welche Richtung es mit dem Gedenkdienst weitergeht”, so Kaske. Dass die Trägervereine nach der möglichen Abschaffung des Heeresersatzdienstes noch genug Bewerber haben werden, glaubt er nicht. „Dann wird das eine Frage der Attraktivität, immerhin müssen die Jugendlichen schon so auf vieles verzichten.”
620 Euro pro Monat
Auf viel verzichtet hat unter anderem der 22-jährige Student Georg T. aus Niederösterreich. „Ich war 2009 in Warschau in Polen eingesetzt und das war nicht immer lustig”, erzählt er der „Wiener Zeitung”.
Auch wenn die monatliche Entschädigung in der Höhe von 620 Euro für polnische Verhältnisse genügt habe, so seien die aufgetragenen Arbeiten doch „sehr anstrengend” gewesen, erinnert sich Georg. „Ich habe im Archiv gearbeitet, deutsche Dokumente übersetzt und Gruppen durch das jüdische Ghetto in Warschau geführt.” Ob er sich auch ohne Zivildienstzwang freiwillig gemeldet hätte? „Das kann ich heute nicht sagen, aber ich glaube, dass sich auch ohne das Ganze genug junge Leute melden würden. Für mich war es auf jeden Fall eine tolle Erfahrung”, sagt der 22-Jährige.
Allzu große Sorgen über die Zukunft will sich daher auch Magdalena Neumüller, Geschäftsführerin des Vermittlungsvereins „Gedenkdienst”, nicht machen. „Bis jetzt ist uns noch kein Unterschied zu früheren Jahren aufgefallen, die Bewerbungsfrist für das kommende Jahr läuft aber noch bis Ende Dezember”, erklärt sie auf Anfrage. Demnach hätten sich allein im vergangenen Jahr noch 60 Jugendliche um die 20 verfügbaren Plätze beworben. Besonders begehrt bei den Bewerbern seien die Einsatzorte in Paris, London und New York, sagt Neumüller. Die Kritik Kaskes am Innenministerium kann die Vereinschefin trotz allem nachvollziehen, zumal das Leben gerade in westeuropäischen Städten um ein Vielfaches teurer sei als in Mittel- und Osteuropa. „Derzeit erhält jeder Kandidat für den Gedenkdienst 9000 Euro an Förderungen, den Rest müssen sie selbst aufbringen”, fügt Neumüller hinzu.
Freiwillige Förderung
Im Innenministerium bleibt man trotz der Hilferufe gelassen. „Für das Ministerium besteht keine gesetzliche Verpflichtung, die Gedenkdienste im Ausland zu fördern, wir machen das also freiwillig”, betont Ministeriumsprecher Rudolf Gollia gegenüber der „Wiener Zeitung”. Als Grund für die Kürzung im Ausmaß von 10 Prozent im Vorjahr nennt er allgemeine Sparmaßnahmen im Ressort. „Die hat es aber auch in vielen anderen Bereichen gegeben.”
Insgesamt wird der Gedenkdienst jährlich mit bis zu 400.000 Euro gefördert. Seit 1992 haben rund 500 Personen teilgenommen.