Bedarf an Erdgas steigt jährlich an. | Russland ist derzeit Europas Hauptlieferant. | Wien. Wie sehr ist Europa von Russlands Erdgas- und Ölimporten abhängig? "Momentan sehr", meint Ehsan Ul-Haq, Analyst der internationalen Ölberatungsfirma PVM, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nicht ganz 17 Mio. Barrel (zu 159 Liter) Öl braucht Europa jeden Tag, Russland exportiert 6 Mio. täglich, das meiste davon nach Europa. Ähnlich sieht es beim Erdgas aus: Russland hat nicht nur weltweit die größten Vorkommen, es ist auch Europas Hauptlieferant.
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Sowohl der Bedarf an Erdöl wie auch der Bedarf an Erdgas wird in den kommenden Jahren kontinuierlich zulegen, sagen Experten voraus. Vor allem Erdgas werde im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern überproportional nachgefragt werden: Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass sich die Gasimporte Europas bis zum Jahr 2030 verdoppeln werden. Erdgas gilt als "sauberer", die Abgase seien geringer als etwa bei Kohle. Doch während Öl relativ flexibel von Tankschiffen transportiert werden kann, braucht Erdgas vor allem Pipelines, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Pipelines lohnen sich bis zu einer Strecke von rund 3000 Kilometern - und auch nur dann, wenn sie nicht durch unsichere Gebiete führen.
Russland legt nur noch wenige Jahre zu
"Ein großer Teil der Erdgasvorkommen Russlands ist aus wirtschaftlicher Sicht für die Ausbeute nicht attraktiv", erklärte Roland Götz, Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, im Rahmen seines Vortrags "Die Energieversorgung der EU durch Russland" am Freitag in Wien.
Bis zum Jahr 2010 werde die Gasproduktion Russlands deutlich ansteigen, dann wird das Level etwa gleich bleiben, prognostizierte Götz. "Europa muss sich Erdgas zunehmend aus anderen Regionen verschaffen", meinte der Experte und sprach damit weniger Befürchtungen vor der machtpolitische Abhängigkeit an als tatsächliche Engpässe in der Lieferung. "Im Augenblick kommen noch zwei Drittel der Gasimporte aus Russland. 2020 werden es nur mehr 50 Prozent sein", sagte Görtz.
"Trans-Sahara-Pipeline ist machbar"
Die EU strebt seit Jahren an, weniger von einem Hauptlieferanten abhängig zu sein. Ende der 1990-er Jahre nannte die EU-Kommission Algerien, Norwegen und "möglicherweise" den Iran als Wunschpartner. Nach Ansicht von Görtz wird Algerien vor dem Nahen Osten, Libyen und dem Iran in den kommenden Jahren tatsächlich eine wesentliche Rolle in der Erdgasversorgung spielen. Algerien als sechstgrößter Gasproduzent der Welt will seine Produktion von 60,3 Mrd. Kubikmeter im vergangenen Jahr auf 85 Mrd. Kubikmeter jährlich bis 2010 steigern.
Afrika gilt generell als der am schnellsten wachsende Öl- und Gasmarkt der Welt. Vertreter der nationalen Erdölunternehmen Algeriens und Nigerias - Sonatrach und NNPC - erinnerten erst im Herbst erneut an Studien, die bestätigten, dass der Bau einer Trans-Sahara-Pipeline machbar sei. Die Pipeline soll Erdgas 4500 Kilometer vom Süden Nigerias quer durch die Sahara via Algerien zu den europäischen Abnehmern transportieren.
"Die EU ist also gar nicht so sehr von Russlands Gas- und Öllieferungen abhängig", meinte Görtz. Und wer weniger abhängig von einer Sache sei, könne auch auf anderen Gebieten entspanntere Gespräche führen.