Zum Hauptinhalt springen

Weniger Förderung, objektiver vergeben?

Von Hermann Sileitsch aus Belgien

Europaarchiv
Die Kernfrage: Was ist ein gerechter Anteil an der Ernte der EU-Subventionen? Foto: bb

Agrartopf: Immer geringerer Anteil am EU-Haushalt. | Vergabeprinzip "Einmal so, immer so" hat wohl ausgedient. | Brüssel. Die Weichen für die EU-Agrarpolitik werden jetzt gestellt: Zwar beginnt die nächste siebenjährige Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erst mit Jänner 2014, die Budgetdebatte läuft aber bereits. Im Herbst 2010 will die neue Kommission ein Papier zu Haushalt und Agrarpolitik vorlegen - und dieses könnte weniger Mittel für die Landwirtschaft vorsehen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Es gibt viel Druck auf den Agrarhaushalt", bestätigt Michael Mann, Sprecher von Noch-Kommissarin Mariann Fischer-Boel vor österreichischen Journalisten. Der Anteil der GAP sinkt beständig: 1990 wurden noch 63 Prozent des EU-Haushaltes für die Landwirtschaft aufgewendet. Derzeit sind es 46 Prozent - und bis 2013 wird der Anteil auf 30 Prozent schrumpfen.

Auch darüber hinaus ist der Bogen vorgezeichnet: Die ländliche Entwicklung erhält mehr Stellenwert. Das sind Projekte, die von den Nationalstaaten kofinanziert werden und bei denen Landwirte Geld für Umweltprogramme, Wettbewerbsfähigkeit oder "neue Herausforderungen" wie Klimaschutz, Biodiversität oder grüne Energie erhalten.

Ländliche Entwicklung wird immer wichtiger

2008 flossen EU-weit freilich noch 79 Prozent der Agrarausgaben in Direktzahlungen und Marktstützung ("erste Säule") und nur 21 Prozent in die ländliche Entwicklung ("zweite Säule"). Seit einigen Jahren werden Mittel aber dorthin umgeschichtet ("Modulation"), diese Tendenz wird sich noch verstärken.

Das Problem für die heimischen Landwirte: Österreich ist schon jetzt Spitzenreiter bei der ländlichen Entwicklung - hierzulande macht diese (inklusive der von Österreich kofinanzierten Gelder) 68 Prozent des Agrarbudgets aus. Ein weiterer Ausbau erscheint dadurch schwierig. Kann der drohende Ausfall von Direktzahlungen nicht kompensiert werden, so würde in Summe weniger Geld bei den Landwirten ankommen.

Die ländliche Entwicklung überschneidet sich zudem mit Zielen, die auch das - künftig von Johannes Hahn geführte - Ressort Regionalpolitik verfolgt. Im EU-Agrarressort gibt es aber Widerstände gegen einen Zuständigkeitswechsel: Dabei würde die Landwirtschaft langfristig von der Bildfläche verschwinden, lautet die Sorge.

"Die Regionalpolitik setzt eher große Projekte, vor allem im Bereich Infrastruktur, um. Ländliche Entwicklung, das sind hingegen viele kleine Förderungen", sagt Peter Kaltenegger - der Steirer ist in der Generaldirektion Landwirtschaft für Österreich, Deutschland und Slowenien zuständig.

Ein Ziel, das Fischer-Boel ihrem Nachfolger mitgibt, ist mehr Gerechtigkeit bei der Vergabe der Direktförderungen. Bisher konnten Mitgliedstaaten bestimmen, dass deren Höhe sich daran orientiert, was Landwirte in der Vergangenheit erhalten hatten - ein Modell, das Österreich gewählt hat.

Dadurch sei es vorgekommen, dass ein Bauer ein Vielfaches seines Nachbarn erhalten habe. "Es muss für Subventionen objektive Gründe geben", sagt Mann. So könnten künftig alle EU-Landwirte eine Summe pro Hektar erhalten - und darüber hinaus Aufzahlungen für Umwelt, Tierschutz oder Produktion in benachteiligten Gebieten.

Heimische Bauern befürchten, dass diese "Flat Rate" sich nicht an den Entwicklungsniveaus der Länder orientiert. Damit würde mehr Geld in die neuen Beitrittsländer fließen. Dort wären soziale Verwerfungen programmiert: Bleiben Einkommensniveau und Kaufkraft unberücksichtigt, wären Bauern in Rumänien somit dank EU-Förderungen schlagartig die reichste Bevölkerungsgruppe. Ein Ausweg wären regional abgestimmte Pauschalbeträge.

Nicht gerüttelt wird am Ende der Milchquote 2015, stellt Mann klar: "Diese Debatte ist vorbei. Wir müssen neue Wege finden, benachteiligten Bauern zu helfen." Die Quote habe die Milchpreise nicht stabilisiert.

Kommissar Ciolos, "ein moderner Rumäne"

Der künftige Agrarkommissar Dacian Ciolos wird in Brüssel als "moderner, junger Rumäne" beschrieben - er sei überdies der einzige Agrarexperte unter den 26 Kandidaten gewesen.

Ciolos wird sich im Parlamentshearing wohl dafür verantworten müssen, dass Rumänien es bisher kaum geschafft hat, EU-Gelder sinnvoll einzusetzen. Dass er die seit 1992 eingeschlagene Richtung der EU-Agrarpolitik ändert, gilt als unwahrscheinlich.