ÖVP will Residenzpflicht nur bei Kürzung der Mindestsicherung zustimmen. SPÖ bremst bei Notverordnung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Der ÖVP kann es nicht schnell genug gehen, der SPÖ nicht langsam genug. Gemeint ist die Inkraftsetzung der Notverordnung, die noch unter Kanzler Werner Faymann im Frühjahr beschlossen wurde. Die ÖVP möchte die Mindestsicherung auf maximal 1500 Euro pro Familie deckeln; die SPÖ ist dagegen und fordert wiederum eine Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge, damit sie nicht ins rote Wien ziehen und dort Mindestsicherung beantragen; die ÖVP ist dagegen.
Im Dreieck der Flüchtlingsdebatte rund um Mindestsicherung, Notverordnung und Residenzpflicht feilschen und verhandeln beide Regierungspartner um ihre Positionen. Und der Deal könnte letzten Endes so aussehen: weniger Mindestsicherung, Residenzpflicht und Notverordnung.
Zur Erinnerung: Mit der Notverordnung könnten Flüchtlinge direkt an der Grenze in einem Schnellverfahren abgewiesen werden, und es könnte ihnen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehren werden, wenn die kritische Obergrenze von 37.500 Schutzsuchenden erreicht ist.
Ein entsprechender Gesetzesentwurf sollte Ende August, pünktlich zum ersten Ministerrat nach der Sommerpause, in Begutachtung geschickt werden. Daraus wird - vorerst - nichts. "Ich bin vom Bundeskanzler informiert worden, dass die Verordnung jetzt nicht in die Begutachtung geschickt werden soll", sagte Innenminister Wolfgang Sobotka am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal".
Derzeit kein Notstand
Für die Verzögerung gibt es mehrere Gründe. Damit ein Notstand ausgerufen wird, muss, zumindest in manchen Bereichen, der Notstand auch herrschen. Und das ist derzeit noch nicht der Fall. Derzeit befinden sich rund 24.000 Asylwerber im Asylverfahren. Die Anzahl der Verfahren dient als Richtwert für die Obergrenze. Und von den vereinbarten 37.500 ist man hier noch weit entfernt. Nicht eingerechnet sind hier allerdings rund 9000 sogenannte Dublin-Fälle. Also Asylwerber, für die eigentlich ein anderes EU-Land zuständig ist. 6000 von ihnen werden Ungarn zugeschrieben. Die dortige Regierung unter Premier Viktor Orban weigert sich aber beharrlich, diese Menschen zurückzunehmen. Und nach sechs Monaten in Österreich haben sie ein Anrecht auf ein ordentliches Asylverfahren hierzulande. Zudem stehen, nach dem Engpass im Vorjahr, heuer zahlreiche Asylquartiere leer.
Das Innenministerium hatte für den Entwurf zur Notverordnung Stellungnahmen von allen betroffenen Ressorts eingeholt. Sozialminister Alois Stöger sieht aber auf dem Arbeitsmarkt keinen Notstand: "Die Zahlen, die wir erwartet haben, sind nicht eingetreten." Das wiederum kann Sobotka nicht nachvollziehen, weil die Arbeitslosigkeit trotz steigender Beschäftigung wächst.
Wo die SPÖ einen Notstand sieht, ist bei der Residenzpflicht. Jeder zweite anerkannte Flüchtling geht in die Hauptstadt Wien. Zum einen liegt das daran, weil Flüchtlinge hier einfacher und schneller als in manch anderen Bundesländern Mindestsicherung bekommen. Zum anderen sind die Communities in Wien größer. Und viele fliehen vor der Einsamkeit und dem Unbekanntem am Land.
Für die Bundeshauptstadt bedeutet das aber höhere Kosten für die Mindestsicherung und steigende Arbeitslosenzahlen. Derzeit sind 13 Prozent aller Wienerinnen und Wiener auf Jobsuche. Österreichweit sind über 25.000 Asylberechtigte als Jobsuchend gemeldet. Das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahr.
Feilschen um Residenzpflicht
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka hat der SPÖ nun einen Deal vorgeschlagen. Wenn der Koalitionspartner einer Deckelung der Mindestsicherung auf 1500 Euro zustimme, könne man auch über eine Residenzpflicht für Asylwerber sprechen. Im Gegenzug erwarte er sich Bewegung von Sozialminister Stöger.
Um die Notverordnung und den Notstand wird indes wohl weitergestritten. Auch, weil es einen solchen derzeit nicht gibt und die Zahlen heuer auch nicht dafür sprechen, dass er eintreten wird. Der Innenminister argumentiert damit, dass er für den Notfall gewappnet sein will. Dabei geht es wohl auch um das Signal, das man in Richtung der anderen EU-Länder aussendet. Die SPÖ hingegen will keinen Notstand herbeirufen, wo keiner ist, und warnt vor einer Verstärkung der ohnehin negativen Stimmung.