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In regelmäßigen Abständen berichten Medien über unhaltbare Zustände in Haftanstalten. Dass unsere Gefängnisse aus den Nähten platzen, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Dass derartige Lebensbedingungen kaum einer positiven Persönlichkeitsentwicklung von inhaftierten Personen förderlich sind, bedarf keiner Erklärung. Und dennoch ist bis dato nichts geschehen, um einer Eskalierung entgegenzusteuern. Angedachte Projekte zum Bau neuer Haftanstalten bedürfen einer jahrelangen Umsetzung.
Damit wird das Problem nur auf die lange Bank geschoben und in Wirklichkeit auf Dauer keine tatsächliche Verbesserung erreicht. Abgesehen davon kosten sie natürlich Geld, das erstens derzeit kaum vorhanden ist und zweitens dringend in anderen Bereichen der Justiz benötigt würde. Muss guter Rat wirklich teuer sein?
Muss er nicht. Denn es gibt bereits ein Instrument, das die Lage verbessern könnte: die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe. Bei entsprechender Anwendung würden die Häftlingszahlen drastisch reduziert. Tatsächlich wird diese Möglichkeit nicht oder zumindest nur in einem höchst unzureichendem Ausmaß genutzt.
Bereits jetzt ist unter Annahme einer günstigen Zukunftsprognose eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe möglich. Nach Verbüßung von zwei Dritteln ist die bedingte Entlassung zu gewähren, wenn nicht besondere Gründe für die Begehung weiterer Straftaten sprechen.
Strafenpraxis unterschiedlich
So sieht es das Gesetz vor. Nur machen die Gerichte in sehr unterschiedlichem und insgesamt gesehen viel zu geringem Ausmaß davon Gebrauch. Verschärfend kommt hinzu, dass gerade jene Gerichte, die für ihre strengen Strafen berühmt sind, mit dieser Regelung auf Kriegsfuß stehen - ein Umstand, der die unterschiedliche Strafenpraxis in Österreich noch potenziert.
Abgesehen davon, dass es jedem Sinn für Gerechtigkeit widerspricht, wenn innerhalb eines Landes die Höhe der Freiheitsstrafe und die Dauer der Haft davon abhängen, vor welchem Gericht man steht, muss es auch zu denken geben, wenn gesetzliche Regelungen in der Praxis nicht entsprechend umgesetzt werden. Spätestens dann ist die Gesellschaft und der Gesetzgeber zu der Entscheidung gefordert, diese Regelungen in ihrer Effizienz zu stärken. Und an diesem Punkt sind wir nunmehr angelangt.
Vorteile für die Allgemeinheit
Die bedingte Entlassung ist kein Gnadenakt, sondern die Anwendung eines strafrechtlichen Instituts, das die Vorteile - für den Rechtsbrecher, aber auch für die Allgemeinheit - eines kürzeren Vollzugs mit dem Vorteil einer Überwachungsmöglichkeit nach der Entlassung verbindet. Zahlen belegen, dass die Chancen für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft und für eine Vermeidung von Rückfällen wesentlich günstiger im Fall einer bedingten Entlassung als bei vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe stehen.
Spricht also etwas dagegen, dieses Instrument verstärkt anzuwenden und damit auch dem Problem der überfüllten Haftanstalten Herr zu werden? Wohl kaum. Der Nutzen für die Gesellschaft spricht dafür. Und Geld würde auch gespart. Daher: der Gesetzgeber ist gefragt!