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Weniger ist mehr - bei US-Geheimdiensten

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Ein kleinerer, gründlich beaufsichtigter Geheimdienst würde die USA in der Tat sicherer machen als das unkontrollierbar wuchernde Gebilde, das wir jetzt haben.


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"Top Secret America" ("Streng geheimes Amerika"), die Serie in der "Washington Post", hat gute Arbeit geleistet, einen Geheimdienst ins Licht zu rücken, der so groß und schwerfällig ist und so überwuchert von überflüssigen Tätigkeiten - eine verborgene Welt, jenseits jeder Kontrolle, wie es im Titel heißt.

Die Regierung von US-Präsident Barack Obama sollte darauf nicht defensiv reagieren, sondern ganz im Gegenteil, die Initiative ergreifen und versuchen, den Koloss unter Kontrolle zu bringen. Es ist paradox: Ein kleinerer, gründlich beaufsichtigter Geheimdienst würde die USA in der Tat sicherer machen als das unkontrollierbar wuchernde Gebilde, das wir jetzt haben.

Das ist die wahre Aufgabe für das unglückselige Büro des Director of National Intelligence (DNI), das 2005 eingesetzt wurde, um Ordnung ins Geheimdienstchaos zu bringen. Einige der Probleme wurden jedoch, zum Beispiel durch Revierkämpfe, nur noch verschlimmert.

"Der US-Geheimdienst braucht eine Revolution, keine Evolution", sagt Henry Crumpton, ein früherer Terrorabwehrexperte bei der CIA, der jetzt ein Beratungsunternehmen leitet: Drastische Kürzungen müssten durchgeführt werden, nicht immer noch mehr Geld hineingeschleudert werden, um letztlich doch nur wieder ein atemberaubendes Manko an Koordination zu erhalten. Aber wie sind die Probleme entstanden und wie können sie gelöst werden?

Einen ganzen Archipel von Subunternehmen gibt es schon seit Jahrzehnten. In manchen Fällen funktioniert das sehr gut. In der Armee der USA bestand man früher darauf, sich nur auf die in den militäreigenen Arsenalen hergestellten Waffen wirklich verlassen zu wollen. Mit dem Kalten Krieg und der stürmischen Entwicklung der Technologie hat sich das alles verändert.

Aber um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Selbstverständlich braucht der Geheimdienst heute Hilfe von außen. Früher waren die jeweils neuesten Errungenschaften in Händen der Abteilung für Wissenschaft und Technologie der CIA und wurden erst anschließend von der Industrie übernommen. Heute, im IT-Zeitalter, hat sich dieser Vorgang umgekehrt.

Der Krieg gegen den Terror ist, wie früher der Kalte Krieg, ein Magnet für Ausgaben. Das Special Operations Command des US-Militärs (Socom), stationiert in Tampa, hat ein gewaltiges geheimes Netzwerk von Subunternehmern ausgegliedert, die recht esoterische Aufgaben übernehmen. 1000 Menschen beschäftigt die Socom schätzungsweise allein, um diese geheimen Aufträge zu überwachen.

Auch die CIA wurde nach den Terroranschlägen 9/11 mit Geldern überschwemmt. Dann kam es zum rasanten Abwandern der CIA-Angestellten, der "blauen Dienstmarken", zu den besser bezahlten Jobs der grün gekennzeichneten Auftragnehmer, die dieselbe Arbeit verrichteten.

Die Art, wie Kongress-Gelder verteilt werden, spielt hier ebenfalls eine Rolle. Über das meiste Geld für den Irak, für Afghani stan und den Krieg gegen den Terror wird jedes Jahr neu entschieden. Es gilt also als unsicher. Auch daher setzen die Geheimdienste mehr auf provisorische Auftragnehmer als auf fix Angestellte.

Das Resultat ist ein aufgeblähter Apparat, in dem sich Geheimhaltung und Bürokratie ruinös vermischen. Weniger ist mehr, sollte die neue Parole lauten.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung