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Bundeskanzler Christian Kern sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos zum Thema Populismus.
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Davos. "Trump im Slimfit-Anzug." So würden manche den österreichischen Kanzler bereits nennen, sagt Susanne Wille vom Schweizer Fernsehen, die beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine Diskussionsrunde zum Thema Demokratieentwicklung moderiert. Kern habe zuletzt mit seinem Wirtschaftsprogramm Dinge versprochen, die er nicht halten könne, so wie Trump auch.
Der Kanzler meint darauf nur lapidar, er habe eine andere Wahrnehmung. "Nur 27 Prozent der Bevölkerung glauben, dass die Politik sich für die Sorgen der einfachen Leute interessiert", sagt Kern. Daher müsse die Politik offener sein. Die Parteien der Mitte seien längst keine Reformparteien mehr. "Aber die Menschen erwarten Reformen und Wandel. Sie wollen Antworten. Die rechten Parteien scheinen diese Antworten zu geben, sie haben aber keine Lösungen." Das sei auch der Grund gewesen, warum er sich zuletzt bei den Wählern entschuldigt habe. Für Kern sind Donald Trump, Marine Le Pen, die FPÖ und der Brexit jedenfalls Teil eines Phänomens, das durch Automatisierung und Globalisierung beschleunigt werde. Kern wiederholte auch sein Diktum, wonach viele Wähler die Politiker und Eliten auf den Knien sehen wollen.
Gefährlich für die Demokratie
Jan-Werner Müller, Politikwissenschafter an der Princeton-Universität und Fellow am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen, meldet sich mit seiner Populismusdefinition zu Wort: Populisten seien jene, die erklären, sie und nur sie würden das Volk repräsentieren. "Nigel Farage etwa: Er hat nach dem Brexit-Referendum erklärt, der Brexit sei ein Sieg der echten Leute. Und was ist mit den 48 Prozent, die gegen den Brexit gestimmt haben? Sind das keine echten Leute?" Populisten, so Müller, seien gefährlich für die Demokratie. Und sie bräuchten Kollaborateure aus den etablierten Parteien: "Farage brauchte Boris Johnson oder Michael Gove. Trump konnte sich auf Chris Christie und Rudy Giuliani verlassen. Und der österreichische Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat vor allem deshalb keine Chance gehabt, weil sich genügend österreichische Konservative gesagt haben: Diesen Typen wollen wir nicht."
Die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard sagte, man könne von Populisten auch lernen. "Die Basis von Donald Trumps Erfolg war es wohl auch, erkannt zu haben, dass die Globalisierung nicht für alle Bürger Vorteile bringt. Nun spricht man auch in Davos darüber, wie man eine andere Globalisierung schafft." Das bedeute aber nicht, dass man die Rezepte der Populisten kopiert: "Wir kommen nur mit Offenheit voran. Mit nachhaltigen Lösungen. Mit Dialog."
In Österreich habe sich die politische Landschaft dramatisch gewandelt, sagt Kern: In den 1970er Jahren hatte die SPÖ 700.000 Parteimitglieder. Heute seien es 180.000. Gleichzeitig habe man aber bei den jüngsten Bundespräsidentenwahlen das Erstehen von neuen Graswurzelbewegungen erlebt. Was ihn störe, sei ein Unwille zur Debatte von politischen Ideen. "Alles, was ich vom politischen Mitbewerb als Reaktion auf meinen 22.000-Zeichen-Beitrag in der ,Frankfurter Allgemeinen‘ gehört habe, war ein 140-Zeichen-Tweet." In der Wirtschaft habe er gelernt, dass man Entscheidungen zu treffen habe. Die setze man dann um und kontrolliert die Umsetzung. Für die Ideenfindung brauche es aber eine lebendige Debatte.