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Weniger schrauben, mehr konstruieren

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Österreichs Autoindustrie hat in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufstieg absolviert: Die Branche mit ihren industriellen Flaggschiffen Magna Steyr in Graz, BMW-Motoren in Steyr und Fiat-GM-Powertrain in Wien-Aspern sowie hunderten Zulieferbetrieben hat zuletzt einen Produktionswert von mehr als 9 Mrd. Euro erwirtschaftet - wovon mehr als 80 Prozent in den Export gingen und für ein deutliches Handelsbilanzaktivum in diesem Bereich sorgten. Von Produktion über Handel, Reparatur, Frächter, Tankstellen bis zu Taxis hängen insgesamt nicht weniger als 380.000 Jobs am Automobil - Tendenz noch steigend - Parksheriffs gar nicht eingerechnet. Aber die Konkurrenz schläft nicht: Vor allem in den neuen EU-Nachbarländern legt die Branche noch stärker zu.


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Knapp 133.000 Personenautos wurden 2002 in Österreich gefertigt, 90 Prozent gingen in den Export, berichtet der Vorsitzende des Arbeitskreises der Automobilimporteure Österreichs, Felix Clary. 2004, nach dem Produktionsanlauf des zur Gänze bei Magna Steyr in Graz gebauten neuen BMW-Geländewagens "X3", werden es signifikant mehr sein.

Bei Frank Stronachs Magna-Gruppe werden neben dem neuen BMW auch das Saab 9-3 Cabriolet, der Chrysler Minivan Voyager, der Jeep Grand Cherokee und mehrere Modelle mit Allradantrieb für Mercedes gebaut.

Aus dem BMW-Motorenwerk in Steyr kommen zwei von drei weltweit eingebauten Motoren für die bayrische Marke. Und aus dem Opel-Werk in Wien-Aspern - jetzt im joint-Venture von Konzernmuter General Motors mit Fiat - kommen Motoren und Getriebe für eine ganze Reihe von Modellen.

In allen drei Unternehmen - und auch beim neuen automotiven Player, dem Stahlriesen Voestalpine, der mit seiner Divison "Motion" vom Blechlieferanten zum Autoteilebauer mutieren und den Bereich stark ausbauen will - standen zuletzt ambitionierte Milliarden schwere Investitionsprogramme auf der Tagesordnung, um die Standorte langfristig abzusichern. Denn die Konkurrenz schläft nicht.

In Tschechien, wo der Volkswagenkonzern Skoda übernommen hat, befindet sich die - dort ohnehin traditionsreiche Automobilindustrrie ebenso im Aufwind, wie in Polen, wo unter anderem ebenfalls Volkswagen ein Werk in Posen groß ausgebaut hat. In Ungarn produzieren Suzuki und Audi - unter anderem den erfolgreichen Sportwagen TT.

Und in Sichtweite der idyllischen österreichischen March-auen, bei Bratislava - an der dort längst fertig gestellten Autobahn nach Ungarn und Tschechien - ist das Volkswagenwerk in den letzten Jahren gewaltig gewachsen. VW-Flaggschiffe wie der große Geländewagen Touareg kommen von dort. Noch 40 Kilometer weiter östlich, in Trencin, baut der französische PSA-Konzern Peugeot/Citroen gerade ein Werk mit 3.500 Mitarbeitern und einer geplanten Jahresproduktion von mindestens 300.000 Stück, vor allem für den schnell wachsenden osteuropäischen Markt. Wenn jetzt die Slowakei auch noch das Standortrennen um die 1,22 Mrd. Euro teure Fabrik des koreanischen Hyundai-Konzerns für sich entscheidet - 3.500 bis 4.000 Leute sollen 300.000 Fahrzeuge pro Jahr für den europäischen Markt fertigen - dann wäre unser neuer EU-Nachbar mit einem Schlag der zehntgrößte Autoproduzent der Welt. Die Chancen dafür stehen gut, im Februar soll eine Entscheidung fallen.

Bange machen gilt trotzdem nicht, meinen Österreichs automotive Produzenten und setzen noch mehr auf ihre Stärken: Tendenz "weg von Montageband, Platz nehmen vor dem Konstruktionscomputer". Clusterbildung - nach dem erfolgreichen Modell in der Steiermark kann mittlerweile auch der vor zwei Jahren gegründete Automotive Cluster Vienna Region (ACVR) mit inzwischen 90 Firmen respektable Erfolge vorweisen.

Höherwertige Spezialitäten anbieten, weg von der reinen Montage, heißt die Parole. Auch wenn neuerdings im Steuerwettbewerb erfolgreich den östlichen Nachbarn paroli geboten werden kann - bei den Lohnkosten werden sie noch viele Jahre nicht zu schlagen sein. Allradentwicklungen, Nischenmodelle - wie das feine neue Saab Cabriolet - und viele eigene Entwicklungen sind das Ziel. Bei Magna sieht man den "X3" als Vorzeigeprojekt für die eigene Leistungsfähigkeit auch auf dem Sektor Entwicklung: Der weltweit siebentgrößte Zulieferkonzern möchte mehr und mehr ganze Autos bauen - auch in den USA. Bei General Motors hat das Wiener Motoren- und Getriebewerk einen harten konzerninternen Wettbewerb gewinnen müssen, um das neue "Weltgetriebe" zu bekommen. Und die Voestalpine, die sich lange - und erfolgreich - auf Bleche konzentriert hat, geht tiefer in die Fertigungskette und liefert womöglich demnächst ganze Autotüren aus eigener Entwicklung an die VW-Tochter Audi. Stolz ist man in Linz auch auf die Aluminiumkarosserie für die Luxuswagen von Jaguar - die baut allerdings eine in England zugekaufte neue Voest-Tochter.