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Weniger Steuer, billigere Produkte: Eine Gleichung mit vielen Fragezeichen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ist der mit Abstand größte Brocken im Entlastungspaket, das SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann noch vor der Wahl umsetzen möchte: Mit 750 Millionen Euro beziffert die SPÖ allein dafür die Kosten. Die ÖVP hält sich an die Nationalbank, die mit bis zu einer Milliarde Euro rechnet. | Die zentrale Frage ist: Bringt die Maßnahme das, was die SPÖ sich (und den Wählern) verspricht? Immerhin soll die Halbierung des Steuersatzes den Konsum ankurbeln und für den Bürger das tägliche Leben leistbarer machen.


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Voraussetzung wäre allerdings in beiden Fällen, dass die Steuerreduktion von zehn auf fünf Prozent vom Handel ohne Abschlag an die Kunden weitergereicht würde.

Hier sind Zweifel angebracht: Die mediale Versicherung der Handelsbosse, man werde sich kein Körberlgeld verschaffen, in Ehren: Wer hätte allen Ernstes eine gegenteilige Ankündigung erwartet?

Einzig und allein harter Konkurrenzkampf könnte die Handelsketten zwingen, Steuervorteile weiterzugeben. Es rächt sich nun, dass im Lebensmittelhandel die Preise von immer weniger und immer größeren Anbietern diktiert werden.

Es wäre zudem naiv zu glauben, dass jedes Produkt um exakt die Steuerdifferenz billiger würde: Die Preise liegen im Handel immer exakt einen Cent unter der nächsthöheren Preisschwelle. Der Grund ist die Käuferpsychologie: 3,99 Euro werden als deutlich günstiger empfunden als 4 Euro. Somit müsste überwacht werden, ob die Auf- und Abrundungen in Summe die geplante Steuereinsparung ergeben.

Genau das ist in der Praxis nahezu unmöglich, weil die Preise von zigtausenden Waren beobachtet werden müssten. Wenn die Arbeiterkammer eine Preiskontrolle ankündigt, so müsste sie dafür einen bestimmten Warenkorb definieren. Die Auswahl der Produkte bliebe beliebig - und ließe dem Handel viele Schlupflöcher offen.

Der internationale Vergleich zeigt: EU-Länder mit niedrigeren Steuersätzen verkaufen nicht zwingend billigere Produkte. Briten und Iren zahlen keine Mehrwertsteuer, die Lebensmittel sind aber um 16 Prozent teurer als im EU-Schnitt. Diese Länder haben freilich völlig andere Handels- und Kostenstrukturen.

In Österreich selbst gab es bereits einmal eine Steuerreduktion: Im April 2005 wurde die Schaumweinsteuer abgeschafft. Damals wurde Sekt tatsächlich billiger, die Hersteller jubelten über steigende Absatzzahlen - wofür allerdings auch Werbe- und Preisaktionen verantwortlich waren. Handelsexperten zögern deshalb, dieses Beispiel auf eine Steuersenkung umzulegen, die alle Lebensmittel betrifft.

Somit bleibt als Resümmee: Fix wären nur die Kosten für den Staat, nicht aber die Ersparnisse für den einzelnen Bürger.