Im Vergleich zu 2009 kommen heute nur etwa halb so viele Immobilien unter den Hammer.
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Wien. Eines gleich vorweg: Für Schnäppchenjäger fallen zwangsversteigerte Wohnungen in Ballungszentren nicht mehr ins klassische Beuteschema. Einerseits steigen am Immobilienmarkt Angebot und Nachfrage und damit auch die Ausrufungspreise von Zwangsversteigerungen, andererseits sinkt deren Anzahl: Wegen des niedrigen Zinsniveaus werden mehr Liegenschaften im Vorfeld frei verkauft.
Konkret kommen heute im Vergleich zu 2009 nur noch etwa halb so viele Immobilien unter den Hammer. Gab es vor fast zehn Jahren 3611 anberaumte Zwangsversteigerungstermine, so waren es im Vorjahr nur 1716, so die Zahlen der "SmartFacts Data Services GmbH", die seit mehr als einem Jahrzehnt Daten zum österreichischen Immobilienmarkt erhebt und analysiert. Die Gesamtsumme der Schätzwerte - im Vorjahr 346 Millionen Euro - ist ebenfalls gesunken, allerdings nicht im gleichen Ausmaß, sondern lediglich um ein Drittel. "Denn die Erlöse, die bei den einzelnen Versteigerungen erzielt werden konnten, sind gestiegen", sagt Monika Konvicka, Geschäftsführerin der "SmartFacts Data Services GmbH".
Darin spiegelt sich eine Entwicklung wider, die mit der ersten, zaghaften Erholung nach der Lehman-Pleite 2008 und der damit einhergehenden Finanzkrise begann und seitdem voranschreitet: Die Wirtschaft floriert, am Immobilienmarkt steigt der Preis, und bei drei von vier Zwangsversteigerungen in Ballungszentren liegt der Ausrufungspreis schon mitunter weit über dem geringsten möglichen Gebot von 50 Prozent des Schätzwertes. Die Immobilien - vor allem in Ballungszentren - finden dennoch reißenden Absatz, denn: Das Zinsniveau ist seit Jahren auf einem Tiefstand, was den Trend, Geld in Immobilien statt bei der Bank zu parken, vorantreibt - und gleichzeitig Kredite attraktiviert. Der Großteil der Bieter bei einer Zwangsversteigerung von Wohnimmobilien seien Privatpersonen, so Konvicka zur "Wiener Zeitung".
Existenzverlust als Hauptgrund
Der Kreditschutzverband von 1870 gießt diese Entwicklung in Zahlen: "Bei den Hypothekenfinanzierungen der Bankenliste sehen wir den Trend, dass es seit 2013 jedes Jahr bis zu 12.000 mehr gibt", sagt Geschäftsführer Gerhard Wagner. Im Vorjahr seien es insgesamt 100.000 an der Zahl gewesen, bei denen es vor allem um Eigenheimfinanzierungen um meist 100.000 Euro ging. Der klassische Schuldner einer Hypothekenfinanzierung sei zwischen 30 und 40 Jahre alt.
Kann er diese nicht mehr zurückzahlen, kann er zum Schuldner einer Zwangsversteigerung werden. Der häufigste Grund dafür sei der Verlust des Arbeitsplatzes oder - bei Selbständigen - der Existenz, sagt Konvicka. Die Scheidung vom oder der Tod des Partners seien die zweithäufigsten Ursachen für die Zahlungsunfähigkeit, "weil die Last der Rückzahlungen auf eine Person allein übergeht". An dritter Stelle stehe übermäßiger Konsum.
Bis sein Haus, Grundstück oder seine Gewerbeimmobilie tatsächlich unter den Hammer kommt, vergehen für gewöhnlich allerdings Monate - durchschnittlich acht bis 16. "Wenn ein Objekt notleidend wird, sieht man erst nach 30 Tagen, dass der Schuldner nicht bezahlt hat. Dann wird gemahnt, gewartet, die Bank reagiert. Der Anwalt erwirkt einen Titel bei Gericht, dieses prüft und beauftragt bei Bewilligung einen öffentlich bestellten und vereidigten Gerichtssachverständigen, damit dieser das Objekt bewertet", so Konvicka.
Darum bilde sich der Markt mit einer gewissen Verzögerung ab - unter anderem mit ein Grund, warum sich etwaige Auswirkungen der Privatinsolvenzreform 2017 noch nicht zeigten, mit der unter anderem die Mindestentschuldungsdauer im Schuldenregulierungsverfahren auf fünf Jahre verkürzt wurde. Bei der Schuldnerberatung gebe es grundsätzlich kaum Klienten, "die eine Liegenschaft besitzen, die wackelt", heißt es von dieser.
Eigentümer per Zuschlag
Ist der Termin für die öffentliche Zwangsversteigerung an einem der 80 Bezirksgerichte nun nach entsprechender Verfahrensdauer fixiert und wurde die Immobilie davor noch nicht am freien Markt verkauft, setzt das Gericht das geringste Gebot fest. Dieses darf nicht weniger als 50 Prozent des Schätzwertes, kann aber bis zu 100 Prozent dessen betragen. Die Gutachten sind im Vorfeld online unter www.edikte.justiz.gv.at abrufbar, auch Besichtigungstermine sind möglich. Jeder, der mitbieten möchte, muss mindestens zehn Prozent des Schätzwertes als Valium in Form einer Sparurkunde vorweisen. Denn ein wesentlicher Unterschied zum Freihandverkauf ist: Mit dem Zuschlag wird man (ohne notariellen Kaufvertrag) sofort zum Eigentümer - und ist verpflichtet, die Summe abzubezahlen. Kann man das nicht, haftet man bei einem Zahlungsausfall bei einer etwaigen Wiederversteigerung.
Rund 850 der 1716 anberaumten Zwangsversteigerungstermine im Vorjahr wurden laut Konvicka kurz davor wieder abgesagt, weil sich zum Beispiel Schuldner und Gläubiger doch noch einigen konnten - 75 Prozent von diesen landeten aber auch erneut vor Gericht. "Von vier Fällen wird nur einer tatsächlich gelöst", resümiert Konvicka.
In Regionen außerhalb der Ballungszentren, wo die Wirtschaft schwächelt und es wenige Arbeitsplätze gibt, sinke freilich auch die Nachfrage nach Wohnraum und damit das Preisniveau. Bei Zwangsversteigerungen blieben die Sitze im Saal mitunter leer, sagt Konvicka. Dann brauche es ebenfalls mehrere Termine, bis man ein Ergebnis erreicht. Zu den in dieser Hinsicht problematischen Gebieten zählen das Waldviertel oder das Lavanttal in Kärnten. Setzt man die Anzahl der 2017 anberaumten Versteigerungstermine in Relation zur Bevölkerungsdichte, so gab es die wenigsten von diesen in Wien - und die meisten im Burgenland.