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Schenker und Beschenkte nehmen | die Gaben unterschiedlich wahr.
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Wien."Schenke groß oder klein, aber immer gediegen. Wenn die Bedachten die Gaben wiegen, sei Dein Gewissen rein. Schenke herzlich und frei. Schenke dabei, was in Dir wohnt an Meinung, Geschmack und Humor, so dass die eigene Freude zuvor Dich reichlich belohnt. Schenke mit Geist ohne List. Sei eingedenk, daß Dein Geschenk Du selber bist." So rät Joachim Ringelnatz an, wie mit einem Geschenk Freude gemacht werden kann. Nichtsdestotrotz sollten Käuferinnen und Käufer von Weihnachtsgeschenken eine weitere Kleinigkeit beachten, damit ihre Absichten Anklang finden, berichten US-Forscher. Ihnen zufolge wird nämlich ein teures Geschenk durch ein zusätzliches, weniger Kostspieliges entwertet.
Wer zu einer Uhr um mehrere tausend Euro als zusätzliche Aufmerksamkeit bunte Handschuhe um 20 Euro legt, weil der Beschenkte die seinen kürzlich verloren hat, riskiert, dass dieser mehr Freude an den originellen Handschuhen hat als an der Luxus-Uhr. Ähnlich verhält es sich mit einem MP3-Player mit zusätzlichem Musik-Download oder einem Reisegutschein mit zusätzlicher Notfall-Telefonwertkarte: Für den Beschenkten entwertet das günstige das teure Produkt.
Kimberlee Weaver und ihr Team von der Virginia Tech und der University of Michigan baten eine Gruppe von Testpersonen, Angebote für einen MP3-Player zu erstellen. Eine zweite Gruppe sollte die Angebote nach Kaufkriterien bewerten. Während 92 Prozent der "Werber" das Gerät mit einem Musikgutschein kombinierten, gefiel den "Käufern" der tragbare Musikspieler ohne die Zugabe besser. Im Schnitt war die zweite Gruppe gewillt, ganze 240 Dollar für den Musikspieler allein zu bezahlen, während sie für das Gerät nur 170 Dollar berappen wollten, wenn der Gutschein dabei war. Ähnliche Ergebnisse zeitigte ein Versuch mit Hotelwerbung: Die Unterkunft mit dem 5-Sterne-Pool kam besser an als die mit 5-Sterne-Schwimmbad plus 3-Sterne-Küche. Drei Viertel der Anzeigenbastler hatten jedoch die Badegelegenheit in Kombination mit Menüs aus dem Restaurant angeboten.
Was spielt sich ab zwischen Käufer und Verkäufer, Beschenktem und Schenker? "Wer eine Werbung gestaltet oder ein Geschenk auswählt, konzentriert sich auf die Details: Er will dem Begünstigten eine besondere Freude machen und überlegt sich ganz genau, was alles dazugehört, beziehungsweise er will den Käufer zu gewinnen", erklärt Arnd Florack vom Institut für Wirtschaftspsychologie der Universität Wien.
Geber sehen nur die Bäume, Begünstigte nur den Wald
Der Beschenkte sieht die Welt ganz anders. "Er betrachtet das Geschenk als Ganzes und weniger für seine Details. Immerhin ist auch sein Informationsstand zur Genese der Gabe weniger detailliert ist als jener des Schenkers", sagt Florack. Wer sein Geschenk auspackt, verhalte sich wie ein Museumsbesucher, der den Gesamteindruck eines Bildes aus ein paar Metern Entfernung gewinnt. "Man könnte sagen: Der Schenker sieht nur die Bäume, der Beschenkte nur den Wald." Bekommt jemand ein Top-Geschenk plus eines, das nicht ganz so großartig ist, schafft er "aus dem Bauch" heraus einen Mittelwert. Sein Eindruck vom Top-Geschenk wird abgeschwächt. Außer dem Geber gelingt es, die Perspektive des Begünstigten zu verändern, indem er ihn dazu bringt, auf die Details zu achten und die gute Absicht hinter dem Präsent zu erkennen. Er könnte etwa erklären, warum und wie er genau diese Gaben ausgewählt hat.
Florack begründet den holistischen Blick des Beschenkten mit seiner positiven Erwartungshaltung. Nicht die Vorfreude auf das Positive, sondern die Angst vor dem Negativen schärfe nämlich unseren Blick für Detail. Ähnlich wie manche Verkäufer ihren Kunden praktisch jeden Wunsch von den Lippen abzulesen versuchen, wollen auch die Schenker letztlich keine Fehler machen: "Wenn Testpersonen auf eine Belohnung hinarbeiten, agieren sie aus dem Bauch heraus mit einem Blick auf das Ganze. Müssen sie hingegen vermeiden, zu verlieren, was sie bereits haben, werden sie langsamer und genauer."
Laut Weaver sind die Umstände die gleichen in Vorträgen oder Plädoyers vor Gericht. Wenn Referenten oder Anwälte wichtige und sehr gute Argumente mit weniger wichtigen und schwächeren Anmerkungen mischen, würde ihr Vortrag als weniger überzeugend gewertet. Zu viele Informationen verderben den Auftritt.
Nun könnte man annehmen, dass ein blumig formulierender Referent sich nur in die Lage seiner Zuhörer versetzen müsste, um zu wissen: Klare Worte transportieren die Botschaft besser. Gleichermaßen müssten Schenker, die ihre Liebsten mit zu viel vom Falschen überschütten, weniger aus ihrer eigenen Perspektive zu denken lernen. Doch so leicht ist das nicht. "Bis zu einem gewissen Grad ist es normal, zu schenken, was man selbst gerne hätte. Denn es ist schwer, sich in andere hineinzuversetzen. Wenn es einem sogar wehtut, etwas herzugeben, dann sind sowohl das Geschenk als auch die Person, die es erhält, enorm aufgewertet", sagt Florack. Das richtige Geschenk ist stets eine Gratwanderung. Gutes Gelingen an diesem Einkaufssamstag.