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Wenn acht Sitzplätze zu wenig sind

Von Alexander Maurer

Politik

Laut Neos sperren Stände am Volkertmarkt mangels Gastroplätzen zu. Das Marktamt verweist auf jahrelange Gespräche.


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Wien. Ein paar Imbissstände, Cafés, ein Fischgeschäft, ein Obststand, eine Fleischerei, eine Blumenhandlung. Der Volkertmarkt im 2. Bezirk nördlich des Pratersterns ist ein typischer Wiener Markt. Wagt man sich aber aus dem belebten nordwestlichen Eck des Areals, wird man mit gähnender Leere und geschlossenen Buden konfrontiert.

Anrainer und die Bezirks-Neos fürchten um den Fortbestand des Markts als Grätzelzentrum des Volkertviertels. Laut Bezirksklubobmann Christian Moritz hätten die Standbetreiber vor allem mit der engen Rechtsauslegung des Marktamts zu der Anzahl der Schanigartenplätze zu kämpfen.

Nur ein Drittel Gastro erlaubt

2006 wurde die Marktverordnung novelliert und festegelegt, dass auf einem Markt maximal ein Drittel der verbauten Fläche Gastronomiebetriebe sein dürfen. Anlass für die Reform war der Wiener Naschmarkt, der sich zunehmend zur Gastronomie- und Touristenmeile entwickelte.

Zwar können auch Händler nebenbei gastronomische Leistungen anbieten, erlaubt sind jeweils nur acht "Verabreichungsplätze" pro Stand. Viele Händler haben sich aber nicht an diese Beschränkung gehalten und weiter ihre Schanigärten bezahlt - oft, weil sie den zusätzlichen Kundenstrom zum Überleben brauchten und das Marktamt ein Auge zudrückte. Das war nicht nur am Volkertmarkt gängige Praxis, sondern auch beispielsweise am Karmelitermarkt. Isabella Kaas betreibt dort den Käsefeinkostladen "Kaas am Markt" sowie die nebenan befindliche Kaffeestation. Jahrelang gab es keine Probleme, im vergangenen Sommer kam dann die Anweisung, die Sitzplätze zu entfernen. Kaas konnte das Geschäft nicht rechtzeitig verkleinern. Aktuell geht die Händlerin gerichtlich gegen die vom Marktamt angeordnete Räumung ihrer beiden Geschäfte vor.

Auch bei der Bäckerei "Zur Finka" am Volkertmarkt wurde angeblich jahrelang ein Auge zugedrückt. Die Familie Dogo betreibt dort seit 25 Jahren ein Obst- und Gemüse-, sowie ein Fischgeschäft, erzählt Sohn Darko Dogo der "Wiener Zeitung". Seine Mutter Finka beschloss vor zehn Jahren, nebenan eine Bäckerei zu eröffnen. Da das Geschäft nicht so gut lief, nahm sie sich einen Schanigarten dazu, der mehr als die vorgeschriebenen acht Plätze hatte. "Jahrelang gab es keine Probleme. Meine Mutter wurde sogar gelobt, weil sie dazu beitrage, den Markt zu beleben", erinnert sich Dogo.

Das änderte sich im vergangenen Jahr, als der zuständige Marktamtsbeauftragte in Pension ging. Sein Nachfolger war weniger kulant, strafte die Bäckerei ab. Da acht Plätze aber nicht reichen würden, um den Betrieb zu stützen, überlegt die Familie, die Bäckerei zu schließen.

Beim Marktamt widerspricht man dieser Darstellung jedoch nachdrücklich. Den Bescheiden seien mehrjährige Gespräche vorausgegangen. "Wir haben auf allen Märkten mit den Betroffenen mehrmals gesprochen, auch unter Einbeziehung der Bezirksvorstehung, der Gebietsbetreuung und der Wirtschaftskammer. Von den Betroffenen hieß es jedes Mal, sie hätten verstanden, welche Auflagen zu erfüllen seien", sagt Sprecher Alexander Hengl.

Teilweise mehr als 50 Plätze

Nach Verstreichen der mehrmonatigen Frist zur Umsetzung sei aber nichts passiert, betont er. "Im Fall des Karmelitermarkts hat die Betreiberin sogar die Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs auf Facebook gepostet. Darin steht, dass sie statt der erlaubten acht mehr als 50 Verabreichungsplätze hatte", fügt Hengl hinzu. Die Bewohner des Volkertviertels ärgern sich trotzdem. Auch Anrainerin Renate Kommenda ist überzeugt, dass viele Geschäfte ohne die Gastronomie nicht über die Runden kommen. Sie lebt seit 55 Jahren im Grätzel. "Rundherum gibt es Supermärkte, daher halten sich normale Lebensmittelstände am Markt nicht. Das Obst und Gemüse kaufe ich aber trotzdem hier, weil die Qualität passt.", erzählt sie. Der Markt sei ein wichtiger Bestandteil des Grätzels. "Vor allem ältere Leute können dort in Ruhe sitzen, auch stört es niemandem, wenn man mit seinem Hund da ist", meint eine andere Anrainerin. "Jeder Stand und jedes Lokal hat seine eigene Klientel. Da nimmt niemand jemand anderem Kunden weg", ärgert sich Kommenda, die wie viele Anrainer mit Beschwerden beim Marktamt und der Bezirksvorstehung gegen die drohende Schließung der Stände protestiert.

Für den Volkert-Markt fordern die Neos für einen Zeitraum von zwei Jahren die Aufhebung der Gastronomie-Drittel-Regelung, sagt Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig der "Wiener Zeitung". Außerdem sollen Händler dazu berechtigt sein, nach eigenem Ermessen gastronomische Leistungen zur Unterstützung des Geschäfts anzubieten, die aber an eine nachweisbare Handelsaktivität gebunden sein soll.

"Markt ist Handelsplattform"

Auch Georg Holzer, Betreiber des Café Nelke am Volkertmarkt und Mitglied im Grätzlbeirat, will mehr Autonomie für die Stände. "Viele Menschen nutzen den Markt auch, um ihre Freizeit hier zu verbringen. Auch die Gastronomiebetriebe brauchen die Stände, damit das Flair des Markts aufrecht erhalten bleibt. Wenn die Händler aber nicht die Möglichkeit haben, zusätzlich noch Gastronomie anzubieten, um das Geschäft zu stützen, werden sie sich zukünftig andere Orte suchen."

Ornig plädiert auch für weitere Maßnahmen wie flexiblere Öffnungszeiten der Stände. "Die Marktordnung muss dringend entstaubt werden", meint er.

Beim Marktamt weist man darauf hin, dass die Definition eines Marktes nicht in der Marktverordnung, sondern in einem übergeordneten Bundesgesetz festgelegt sei. "Dort heißt es klar, dass ein Markt eine Handelsplattform ist. Daher denke ich, dass wir uns mit den 33 Prozent Gastroanteil in Wien ohnehin weit aus dem Fenster lehnen", betont Hengl.