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Wenn Alben den Schlaf stören

Von Wolfgang Kappler

Wissen

Zuerst präsentierten sie sich als Fruchtbarkeitsmacht und wurden von den Germanen als Schutzgeister verehrt. Doch dann zeigten die Alben ihr wahres Gesicht. In der Gestalt von Halbmenschen hockten sie nächtens auf der Brust der Schlafenden, machten Alb-Druck und sorgten für schlechte und Furcht erregende Träume. Befragungen zufolge haben drei Viertel der Bevölkerung schon einmal (nunmehr sprachreformiert) Alpträume erlebt. Bei jedem 20. aber haben die regelmäßigen Kontakte mit den Alben den Grundstein für Schlafstörungen gelegt, die die Lebensqualität, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit erheblich einschränken und die Gesundheit beschneiden.


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"Die Folgen von Schlafstörungen werden leider noch immer unterschätzt", sagt Prof. Jürgen Zulley vom Schlafmedizinischen Zentrum am Bezirksklinikum Regensburg. Ein Viertel der schweren Unfälle auf Autobahnen gingen auf das Konto von Schlafstörungen, ebenso viele behandlungsbedürftige Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen.

Im Kindesalter sind Alpträume ein nahezu normales Phänomen. Das Unterbewusstsein setzt sich auf diese Weise im Schlaf mit belastenden Alltagssituationen und Ängsten auseinander. Der Bonner Neurophysiologe Prof. Detlev Linke bestätigt: "Alpträume sind eine Art Trainingscamp für den Alltag". So würden zum Beispiel in einem Verfolgungstraum Handlungsbereitschaft und Reaktionszeit verarbeitet. Wenn regelmäßige Alpträume aber dazu führen, dass die Erinnerung an die beängstigenden Trauminhalte Betroffene aus Furcht nicht mehr einschlafen lässt und sie sich am nächsten Morgen wie gerädert fühlen, dann hat sich hier ein Problem verselbständigt, das sogar in einer psychotischen Störung und sozialem Rückzug münden kann.

Treten Alpträume einmal pro Woche oder häufiger auf und bestehen Einschlaf- und Befindlichkeitsstörungen, sollten Betroffene eine Behandlung anstreben. Bei Kindern hat sich dabei die Maltherapie bewährt. Beispielsweise findet der gezeichnete Käfig für ein quälendes Traum-Monster allmählich seinen Weg ins Unterbewusstsein und beendet so den Spuk. "Die Erfolgsquote der Maltherapie liegt bei nahezu hundert Prozent", sagt der Mannheimer Schlafmediziner Michael Schredl.

Erwachsene tauschen die Buntstifte gegen ein Textverarbeitungsprogramm, schreiben ihren Traum auf und erfinden einen für sie günstigen Schluss. Der Trick bei beiden Therapieformen beruht darauf, dass sich das Unterbewusstsein nachts mit den Dingen auseinandersetzt, die am Tag das Bewusstsein beschäftigen. Wer sich also bewusst tagsüber seinen Träumen stellt und diese mit Hilfe seiner Phantasie modelliert, wird nach einiger Zeit Änderungen in den Trauminhalten spüren.

Gute Erfahrungen haben viele Therapeuten inzwischen auch mit dem so genannten Klarträumen gemacht. Lange wurde das Phänomen des Klartraums, auch als luzider Traum bezeichnet, als esoterische Spinnerei abgetan. Inzwischen gilt der Klartraum als wissenschaftlich belegt. "Beim Klarträumen weiß man beim Träumen, dass man träumt, und kann in das Geschehen eingreifen", erklärt die Wiener Therapeutin Brigitte Holzinger. Im Rahmen einer laufenden Studie kann sie bereits erste Erfolge nachweisen: Alleine das Bewusstsein, die Traumbilder verändern zu können, ließ die Angst vor dem Einschlafen bei den Teilnehmern in den Hintergrund treten, so dass sie deutlich besser schlafen.

Ein gutes Mittel zum Erlernen der Technik des Klarträumens ist es, sich am Tag immer wieder zu fragen: Ist dies jetzt ein Traum oder erlebe ich die Wirklichkeit? Ist die Frage erst einmal im Unterbewusstsein verankert, wird es einen Traum erkennen und die Steuerung des Geschehens übernehmen, also den Alb zähmen und ganz verjagen. Besonders stark ist die Traumtätigkeit bei Opfern von Krieg, Folter, Missbrauch und Katastrophen. Ihnen können bestimmte Medikamente weiter helfen. Mit speziellen Schlafmitteln lässt sich der Schlaf verstärken, so dass es nicht zum Erwachen aus dem Alptraum kommt. Andere Wirkstoffe unterdrücken den so genannten REM-Schlaf, eine Phase, in der besonders häufig und intensiv geträumt wird. Da die Gefahr von Abhängigkeit besteht, sollten solche Medikamente allerdings nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.