Werbung setzt auf Überraschungseffekt. | Ausgaben für Ambient Media noch sehr gering. | Werbewirkung schwer messbar. | Wien. Ob auf Papierhandtüchern in der öffentlichen Toilette im Hotel, am Spind im Fitnesscenter oder auf der Zapfpistole an der Tankstelle - Werbung begegnet uns auch dort, wo wir es nicht erwarten. Unkonventionelle Werbung soll überraschen, damit die Marke in Erinnerung bleibt. | Einkaufssackerl mit Botschaft
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Mit dem Begriff Ambient Media werden Werbeträger zusammengefasst, die das Lebensumfeld der Zielgruppe bilden und bisher so gut wie nie zu Werbezwecken eingesetzt wurden. Mit auffälligen Kampagnen und punktgenauer Ansprache der Zielgruppe soll eine hohe Aufmerksamkeit erzeugt werden. Auch Guerilla-Aktionen, die ohne Erlaubnis an öffentlichen Plätzen stattfinden, gehören zu Ambient Media. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Rosenregen des Mobilfunkanbieters T-Mobile, der Passanten am Wiener Graben 2009 erstaunte. "Für mich soll es rote Rosen regnen", tönte es aus Lautsprechern, plötzlich begann es Rosenblüten zu regnen. T-Mobile wollte den Menschen "einen unvergesslichen Moment" bescheren, hieß es.
"Die Passanten hatten eine schöne Erfahrung, und es wurde nicht mit dem Holzhammer gearbeitet", beschreibt Daniela Krautsack, Vorstandsvorsitzende des Vereins Ambient Media & Promotion (VAMP) in Österreich, die Aktion. Werbung solle nicht als Qual empfunden werden, sondern ein Schmunzeln auslösen. "Der öffentliche Raum soll aber nicht mit Werbung zugemüllt werden", betont Krautsack, die vor rund sechs Jahren auf einer Forschungsreise in 30 Metropolen Ambient Media und unkonventioneller Kommunikation im öffentlichen Raum nachspürte.
Kaum Marktforschung
Der Vorteil von unkonventioneller Werbung: Die Kampagnen kosten im Vergleich zu klassischer Werbung sehr wenig, sagt Julian Breitenecker, VAMP-Gründer und Chef des Jugendmedienvermarkters Young Enterprises.
Dennoch wird erst wenig Werbebudget dafür eingesetzt. Derzeit liegt der Anteil in Österreich bei 0,6 bis 1 Prozent der Werbeausgaben, schätzt Breitenecker. "Ambient Media sollte nicht nur ein kleiner Zusatzeffekt einer Kampagne sein, sondern das strategische Highlight", betont Krautsack.
Viele Unternehmen trauen sich aber noch nicht über diese Werbeform, weil es wenig Zahlen über die Werbewirkung gibt. "Ambient Media ist noch zu wenig messbar", erklärt Breitenecker. Es gebe kaum Marktforschung, auf die sich Kunden stützen können. Ein Anhaltspunkt ist das Ambient Meter von der Beratungsfirma The Media Consultants (TMC). Hier werden Bekanntheit, Sympathie, letzte Nutzung und Nutzungshäufigkeit von Gratispostkarten in der Gastronomie, Bierdeckeln, Parkscheinen, Zapfpistolen und Pizzakartons erhoben.
Bei unkonventionellen Sonderwerbeformen gehe es aber nicht in erster Linie um Reichweite, sondern um die Kontaktqualität und die Verbreitung durch Mundpropaganda, so Breitenecker. Marion Stein, Geschäftsführerin der Ambient-Media-Agentur Hotmedia, weist zudem auf geringe Streuverluste hin. Soll die Werbung an gebildete, einkommensstarke Menschen gehen, biete sich zum Beispiel an, Karten auf abholbereiter Wäsche in Reinigungen anzubringen. Die Casinos Austria warben etwa mit dem Slogan "Glück im Anzug" auf Hängerschildern an Kleiderbügeln (siehe Bild). Zudem könnte die Wirkung anhand der Resonanz bei Gewinnspielen gemessen werden. Das Filmstudio 20th Century Fox hat etwa auf Karten in Pizza-Lieferkartons zum Mitspielen aufgerufen.
Für viele Unternehmen wirkt unkonventionelle Werbung dennoch unübersichtlich. "Es gibt eine unglaubliche Vielzahl an Anbietern, Werbemöglichkeiten, Ideen, Konzepten, Werbeträgern und Mediengattungen, die zu buchen sind", so Breitenecker. Die VAMP-Webseite soll einen Überblick über die buchbaren Werbeformen geben.
"Der Mut fehlt"
Es fehle allerdings auch der Mut, meint Breitenecker. Bei unkonventionellen Werbeformen müssen sich Unternehmen ausführlich mit der Zielgruppe auseinandersetzen. Das koste Zeit und Kreativleistung, die viele nicht investieren können oder wollen. "Es gibt noch viel Potenzial, weil man sich für jede Form von Ambient Media etwas Kreatives überlegen kann. Diese Kreativität muss aber noch gefördert werden", sagt Krautsack.
Hinderlich ist auch, dass unkonventionelle Werbung lokal oder regional eingesetzt wird, aber nicht auf andere Länder eins zu eins übertragen werden kann. Plakate in Schulen, die auch unter Ambient Media fallen, sind zum Beispiel nur in wenigen europäischen Ländern erlaubt.
Trotzdem erwartet Breitenecker, dass Ambient Media sehr stark an Bedeutung gewinnen und einen immer größeren Anteil am Werbekuchen für sich beanspruchen können werde.