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Wenn aus Tugend Not wird

Von Christian Mayr

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Als vor gut einem Jahr das Trainer-Phänomen Marcel Koller seziert wurde, stand ein Punkt ganz oben auf der Liste der Erfolgsgründe: Dass er Spielern, die bei ihren Vereinen im Abseits standen, im Team bedingungslos das Vertrauen schenkte - siehe Robert Almer, siehe Marc Janko. Ein Jahr, eine verkorkste EM und eine de facto abzuschreibende WM-Qualifikation später zeigt sich, dass sich diese Koller’scher Tugend zur Not gewandelt hat. Und zwar punkto der spielentscheidenden Personalie Kevin Wimmer. Dem Innenverteidiger, der bei Tottenham weit davon entfernt ist, Stammspieler zu sein, schenkte Koller sein Vertrauen und bot ihn drei Mal als linken Verteidiger auf. Mit dem fatalen Ergebnis, dass der 23-Jährige an fünf von sechs Gegentreffern in den jüngsten drei Partien direkt beteiligt war - mit teils haarsträubenden Fehlern. Natürlich ist man im Nachhinein immer gescheiter, natürlich wäre es fatal, in Wimmer den einzigen Sündenbock auszumachen, aber eine derartige Bilanz verbietet es, einen Platz in der Startelf zu bekleiden. Wobei Wimmers Fehler gegen Irland vor dem 0:1 nicht deshalb irritierte, weil er den Ball verlor, sondern weil er theatralisch auf die Knie sank, um einen Freistoß herauszuschinden. Ähnlich amateurhafte Disziplinlosigkeiten gab es schon durch David Alaba beim 2:3 in Serbien. Dass Koller in diesem Punkt Konsequenz vermissen lässt und dagegen nicht härter auftritt, spricht nicht für den Teamchef. Und was seine Personalpolitik betrifft, stellt sich nun heraus, dass Vertrauen und Konsequenz auch rasch in Blind- und Sturheit umschlagen können.