Strafrecht mit Tücken - Strengere Strafen für Anfütterung geplant.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Es ist alles eine Frage der Interpretation. Sollten sich die Vorwürfe, die nach und nach aus dem Korruptionsuntersuchungsausschuss heraussickern, bewahrheiten, gehen die Proponenten dieses Dramas vermutlich straffrei aus. Das ist die Ansicht der meisten Juristen. Aber es ist eben alles eine Frage der Interpretation. Denn im Gesetz selbst ist nur höchst wenig geregelt.
Auf den ersten Blick wirkt das anders: So finden sich im Strafgesetzbuch Strafbestimmungen für alle möglichen Delikte - von Amtsmissbrauch über Vorteilsannahme bis hin zu Bestechung. Die Strafen für diese Delikte sind abhängig von der Höhe des Vorteils: Bis zu zehn Jahre Haft drohen, wenn der durch Amtsmissbrauch entstandene Schaden mehr als 50.000 Euro beträgt. Niedriger sind die Strafen bei Bestechung und Vorteilsannahme: Wenn der Wert des Vorteils 3000 Euro übersteigt, drohen bis zu drei Jahre Haft, bei mehr als 50.000 Euro sind es bis fünf Jahre.
Der Teufel liegt wie so oft im Detail. So ist Amtsmissbrauch dann gegeben, wenn ein Beamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnisse missbraucht. Allerdings spielt hier auch die Frage des Ermessens eine Rolle. Das steht zwar so nicht im Gesetz, wird aber immer wieder durch Urteile untermauert. Demnach haben Beamte in ihren Entscheidungen einen gewissen Ermessensspielraum, also die Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Nur, wenn dieser Ermessensspielraum nicht nach sachlichen Kriterien ausgenutzt wird, sondern zum Beispiel aus parteitaktischem Kalkül, dann ist Amtsmissbrauch gegeben. Hier scheiden sich die Geister: Auf der einen Seite sagen die meisten Juristen, dass diese Bestimmung nicht auf die Fälle, die nun im U-Ausschuss auftauchen, anwendbar ist, weil die betroffenen Personen keine Beamten, sondern Ex-Minister oder (Ex-)Abgeordnete sind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Stimmen, die davon ausgehen, dass das Überschreiten des Ermessensbereichs auch auf Amtsträger anwendbar ist.
Wer ist ein Amtsträger?
Hier tut sich die nächste juristische Falle auf: Wer ist ein Amtsträger? Ein Amtsträger ist zum Beispiel jemand, der "Mitglied eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers ist, soweit er in einer Wahl oder Abstimmung seine Stimme abgibt". Ein Abgeordneter ist also nur im Moment seiner Stimmabgabe ein Amtsträger, was dann zur bereits oft zitierten Strafbarkeit des Stimmenkaufs führt. Das tritt aber nur dann ein, wenn das Gesetz, für dessen Befürwortung sich der Mandatar kaufen lässt, pflichtwidrig ist - also zum Beispiel, wenn eine Gesetzesänderung gegen ein anderes Gesetz verstößt. Oder, in den Worten des Strafrechtsexperten Helmut Fuchs: "Alles, was nicht nachweislich pflichtwidrig ist, ist pflichtgemäß" - und damit nicht strafbar.
Regierungsmitglieder, Landeshauptleute, Bürgermeister, aber auch Vertreter der Sozialversicherungsträger sind immer Amtsträger. Aber das heißt nicht, dass sie sich der Gefahr einer Bestrafung aussetzen - denn um beispielsweise das Delikt der Vorteilsannahme zu begehen, müssen sie gegen das Dienstrecht verstoßen. Weil aber Minister, Bürgermeister und Landesräte in gar keinem Dienstverhältnis stehen, können sie sich laut Fuchs gar nicht der Vorteilsnahme schuldig machen - außer, sie verlangen explizit Geld für eine Verordnung, Baugenehmigung oder Ähnliches. "Sofern das Ziel keine gesetzeswidrige Verordnung ist, ist Bestechung legal", sagt Fuchs.
Eineinhalb Jahre lang - von 2008 bis 2009 - war das Gesetz viel strenger: Der Verweis auf das Dienstrecht ist dem Gesetzgeber de facto "hineingerutscht", so hört man. Damals ging es nämlich eigentlich um etwas anderes: Das für kurze Zeit recht strenge Anfütterungsverbot - Amtsträger durften ohne konkreten Zweck keine Zuwendungen annehmen - wurde nach heftigen Beschwerden seitens der Wirtschaft wieder gestrichen und durch eine verwässerte Regelung ersetzt, die sich als totes Recht erwiesen hat.
Entwurf im Ministerium
Erst am Dienstag hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding im Interview mit der "Wiener Zeitung" unter Verweis auf die strengen Regeln innerhalb der EU-Kommission "tiefgreifende Reformen" und eine "nationale Debatte" für mehr Transparenz in Österreich gefordert. Nun kommt hier offenbar Bewegung in die Sache: Nachdem sich Justizministerin Beatrix Karl bereits im vergangenen Herbst für eine Rücknahme der Entschärfungen bei der Anfütterung ausgesprochen hat, wurde am Donnerstag bekannt, dass das Ministerium dazu offenbar bereits ein Papier ausgearbeitet hat. Dieses will sich der ÖVP-Klub laut Klubchef Karlheinz Kopf nun anschauen. Eine Änderung sei notwendig und werde auch kommen, sagte Kopf. Er selbst wollte sich zur konkreten Ausformung der Neuregelung noch nicht festlegen. Im Ministerium bestätigte man, für den von Karl versprochenen "Input" bereitzustehen. Dies sei aber noch kein fertiger Gesetzesentwurf. Der Ministerin sei wichtig, nicht zur alten Regelung zurückzukehren. Damals sei nicht für jeden Betroffenen klar gewesen, was er tun dürfe und was nicht. Kopf sieht sich mit Karl hier auf einer Linie. Man sei sich einig, dass die alte Regelung zu streng, die jetzt gültige aber zu locker sei. Auch Experten wie der Wirtschaftsprüfer Roman Leitner warnen vor einer zu starken Pendelbewegung in die andere Richtung.
Die SPÖ sieht beim Anfüttern schon länger Handlungsbedarf. "Bei der alten Regelung war man nach drei kleinen Braunen angefüttert, und das ist absurd", sagte Klubchef Josef Cap, der die Sache bis zum Sommer erledigen will.
Für Karl Raschbach vom Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung im Innenministerium sind strengere Gesetze "eine gute Basis, in der Korruptionsbekämpfung wird uns das aber nicht viel weiter helfen". Er fordert einen weiter gehenden Präventionsansatz - zum Beispiel Verhaltenskodizes und eine stärkere Bewusstseinsbildung.
In Sachen Korruption sorgt auch eine im Sparpaket verpackte Idee für Aufregung: Ausgerechnet jetzt soll die Möglichkeit der Diversion auch auf minder schwere Vermögens-, Amts- und Korruptionsdelikte ausgeweitet werden. Die Opposition schäumt.