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Wenn Botschaften und Sekretärinnen die Luft ausgeht

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Ein Jahr in Tokio, drei Jahre Rom - und nun Wien. Internationale Mitarbeiter - so genannte "Expatriates" - gibt es in allen größeren Unternehmen. Im Konzern wird Englisch gesprochen, das Aufgabengebiet ist bekannt. Doch außerhalb des Unternehmens wäre das Leben leichter, hätte man eine Ahnung von der jeweiligen Landessprache, wüsste man, wo es einen Kindergartenplatz für den Sohn, einen Judo-Verein für die Tochter, eine Werkstatt und Parkscheine für das Auto und einen Tierarzt für den Hamster und den Wellensittich gäbe.


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"Wir kümmern uns um alles", meint Renate Stadler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie gründete vor sechs Jahren ihr Unternehmen Randos Relocation, das Expatriates im neuen Land hilft. "Wirtschaftskammern und Botschaften sind nicht in dem Ausmaß für Expatriates da, wie Relocation-Unternehmen", erklärt Rudolf Schwarz. Er leitet seit sechs Jahren gemeinsam mit seiner Frau die Relocation-Firma Step Vienna. Meist werden laut Schwarz Sekretärinnen mit der Aufgabe betraut, eine Wohnung für den neuen Mitarbeiter zu suchen. "Das neben der normalen Arbeit zu machen, wächst vielen über den Kopf", weiß Schwarz. "Was wir machen, ist extrem zeitaufwändig."

Andere Länder . . .

Eine passende Wohnung zu finden, Behördenwege zu erledigen, ein Konto zu eröffnen, einen Kindergartenplatz zu organisieren, einen Tennispartner aufzutreiben und einen freundlichen Zahnarzt zu empfehlen, ist oft nicht genug. Expatriates kommen aus der ganzen Welt und kulturelle Unterschiede zu Österreich gibt es in Neuseeland, China, Südafrika genauso wie in den USA und Deutschland. Im "Cross-Cultural-Training", das Relocation-Unternehmen anbieten, werden diese angesprochen. Step Vienna arbeitet hier mit der Sprachschule Berlitz zusammen. "Wir machen auf Länder-Unterschiede aufmerksam, geben einen geschichtlichen Abriss und klären Details wie: Wo bekomme ich einen Krankenschein", berichtet Schwarz. "Ich habe sämtliche Bücher über Indien gelesen, als eine indische Familie bei uns gebucht hat", sagt Stadler. Zwei Tage vor Weihnachten kam die Familie in Wien an. Sie war zum ersten Mal in Österreich - und in Europa. "Das war ein Kulturschock für die Familie", erinnert sich Stadler. "Beide Elternteile waren aber offen und neugierig." Ausgestattet mit Weihnachtskeksen besuchte sie Stadler im Apartmenthotel, wo die Familie aufgekocht hatte. "Wir haben über die ersten Tage in Wien geplaudert, was man sich anschauen kann. Dann ist es an's Eingemachte gegangen: Politik, Religion, wie man sich verhält."

. . . andere Sitten

Was in Indien kaum jemand beachtet, kann Österreicher zur "Weißglut" bringen - ein dröhnender Fernsehapparat, der auch um Mitternacht nicht leiser gedreht wird oder lärmende Kinder. "Die Familie wurde einmal aus der Straßenbahn geworfen, weil die Kleine laut war. Die Eltern riefen mich an: 'Was ist das für ein kinderfeindliches Land?!' Ich erklärte ihnen, dass Österreich nicht kinderfeindlich ist und mit einem Augenzwinkern, dass Hunde halt mehr wert sind, als Kinder."

Aller Anfang . . .

Relocation-Firmen gibt es erst seit einigen Jahren in Österreich, in den USA hat diese Form der Dienstleistung eine längere Tradition. "Wir wussten, dass es so etwas in den USA gibt. Meine Gattin begann vor sieben Jahren, ein solches Unternehmen zu strukturieren", sagt Schwarz. Angefangen hat alles mit Freunden, denen das Ehepaar bei der Übersiedlung geholfen hat. Im Rahmen dessen wurde die Idee geboren, diese Hilfe kommerziell zu vermarkten.

. . . ist schwer

"Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich stellte unser Unternehmen bei Firmen vor: 'Grüß Gott, Schwarz, Relocation-Service...' - 'Was für ein Service?' fragten die meisten", beschreibt Schwarz den Start von Step Vienna. Stadler ist es ähnlich ergangen: "Es war ein Sprung ins kalte Wasser und hat sehr viel Energie gekostet." Die Randos-Chefin schlug das Telefonbuch auf, und begann zu telefonieren. "Ich fragte bei den Unternehmen, ob es eine Human Ressources Abteilung gibt und wer die Expatriates betreut." Preislisten oder gesetzliche Vorschriften, an denen sie sich hätte orientieren können, gab es keine, Referenzen hatte Stadler auf diesem Gebiet nicht vorzuweisen. "Ich konnte anbieten, alles zur Zufriedenheit zu erfüllen." So erhielt Stadler den ersten Auftrag. Heute sei die Auftragslage so gut, dass sie oft nicht wüsste, wo sie das Personal hernehmen sollte, berichtet Stadler. Die durchschnittliche Begleitdauer der Expatriates beträgt drei Monate. Meist tragen die Unternehmen die Kosten für Relocation-Services. Mittlerweile sind auch viele Frauen Expetriates, freut sich Stadler: "Ich habe schon sehr viele Frauen übersiedelt. Es tut sich einiges auf dem Gebiet."