Im Fall Floyd hat das belastende Video den Druck auf die US-Justiz massiv erhöht. Konsequenzen gibt es aber oft trotz schlagender Beweise nicht.
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Washington/Wien. Im Fall von Derek Chauvin ging es schnell. Ungewöhnlich schnell sogar. Nur vier Tage nachdem auf den Sozialen Medien erstmals ein Video die Runde machte, auf dem zu sehen ist, wie der weiße Polizist minutenlang auf dem Hals des 46-jährigen Afroamerikaners George Floyd kniet, wurde Chauvin wegen Mordes und mehrer anderer Delikte angeklagt. Noch am selben Tag versprach auch US-Justizminister William Barr eine eigene unabhängige Untersuchung durch das FBI.
Dass Chauvin sich mittlerweile als Angeklagter in Polizeigewahrsam befindet, dürfte vor allem damit zu tun haben, dass ein Passant den tödlichen Polizeieinsatz, der die USA nicht und nicht zur Ruhe kommen lässt, mit der Kamera seines Mobiltelefons festgehalten hat.
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Anders war das, als am 13. März die schwarze Rettungssanitäterin Breonna Taylor in Louisville/Kentucky starb. Als Polizisten bei der Suche nach einem längst wo anders wohnenden Verdächtigen die 26-Jährige in ihrem Appartement mit acht Schüssen töteten, gab es weder einen Passanten, der die Szene mitgefilmt hat, noch die Aufzeichnungen einer Videoüberwachungsanlage.
Anklagen gegen die drei beteiligten Polizisten gibt es bis heute nicht. Und auch die Ermittlungen in dem Fall wollen nicht so recht vom Fleck kommen. So nahm das FBI erst am 21. Mai, also mehr als zwei Monate nach dem Tod von Taylor, seine Untersuchung auf.
"Eine holprige Fahrt"
Deutlich länger als im Fall von George Floyd dauerte es auch nach dem Tod von Freddie Gray. Der Afroamerikaner war am 12. April 2015 verhaftet worden und starb eine Woche später an schweren Verletzungen der Wirbelsäule. Zugezogen hatte sich Gray diese laut den beteiligten Beamten bei einer "holprigen Fahrt" im Polizei-Transporter.
Angeklagt wurden die sechs betroffenen Polizisten erst drei Wochen später und auch das erst, nachdem es in Grays Heimatstadt Baltimore zu Unruhen gekommen war. Nachhaltige Konsequenzen gab es dennoch keine: Die Polizisten wurden von jedem schuldhaften Verhalten freigesprochen und auch das Justizministerium lehnte es ab, irgendjemand für den Tod von Freddie Gray verantwortlich zu machen.
Hohe Entschädigungen
Doch auch ein belastendes Video ist bei weitem noch keine Garantie dafür, dass es zu Anklagen oder gar Verurteilungen kommt. So gab es im Fall von Eric Garner, der im Jahr 2014 in New York starb, nachdem ihn ein Polizist minutenlang mit einem Würgegriff am Boden festgehalten hatte, keine Anklagen. Ebenso wie jetzt Floyd hatte auch Garner damals mit den Worten "Ich kann nicht atmen" verzweifelt um sein Leben gefleht.
"Wir sehen, dass Polizeibeamte nicht in dem Maß zur Verantwortung gezogen werden, wie es sein sollte", sagt auch Kristen Clarke, Präsidentin der Bürgerrechtsorganisation Lawyers‘ Committee for Civil Rights Under Law. "Die Zahl, der erschossenen, unbewaffneten Afro-Amerikaner übersteigt die Zahl der Polizeibeamten, die sich verantworten müssen um ein Vielfaches."
Den Hinterbliebenen, die mit ihrem Wunsch nach Gerechtigkeit vor Gericht oft scheitern, bleibt damit zumeist nur noch die Hoffnung auf eine zumindest finanzielle Abgeltung ihres Verlustes, die in bestimmten Fällen durchaus in die Millionen gehen kann.
So zahlten Stadtverwaltungen, Bundesstaaten und Polizeibehörden nach dem Tod von Gray, Garner oder dem erst 18-jährigen Michael Brown insgesamt fast 15 Millionen Dollar Entschädigung an Hinterbliebene aus. In Fällen, die nicht viele Wochen lang für Schlagzeilen und Proteste sorgen, ist aber selbst das unsicher. Denn immer häufiger berufen sich Behörden und Verwaltungen mittlerweile auf das vom US Supreme Court in den vergangenen Jahren entwickelte Konzept, der "qualifizierten Immunität", das die öffentliche Hand vor großen Schadenersatzzahlungen bewahrt.