Gestern habe sie die Serie gehabt, erzählt die Augenärztin: Ein Rotauge, ein Grüner Star, ein Rotauge, ein Grüner Star und dann wieder ein Rotauge. Insgesamt seien am Vormittag fünf Patienten mit roten Augen in die Praxis gekommen. Und jedes Mal lautete die Diagnose: Trockenes Auge. Warme, trockene und schlecht durchlüftete Zimmer und das Gebläse im Auto entziehen der Augenoberfläche die Feuchtigkeit. Dazu die ständig konzentrierte Arbeit am oft falsch aufgestellten Computerbildschirm und der Aufenthalt in verrauchten Räumen.
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Das Auge quittiert diese Einflüsse mit einem langsameren Lidschlag. Im englischsprachigen Raum heißt dies "Office Eye Syndrom". All das stört den Keim abwehrenden Tränenfilm, der das Auge mit Sauerstoff versorgt. Die Folge: Morgens erwacht man mit verklebten Lidern und zwinkert ständig ob des störenden Fremdkörpergefühls beim Frühstück. Dem Brennen, Jucken und Tränen begegnet man mit Reiben und die roten Augen, die einen aus dem Spiegel anblicken, nerven.
Fachärzte schätzen, dass jeder Fünfte mit diesen Symptomen lebt. Doch statt der Ursache nachzuspüren, begnügen sich viele mit einer fragwürdigen Kosmetik. Mit so genannten "Weißmachern" beseitigen sie zwar die Rötung, sie verstärken häufig aber das Problem, dessen Ursache nur der Augenarzt herausfinden kann.
Ursachen und Folgen
"Hände weg von Weißmachern", warnt deshalb Dr. Georg Mehrle, Augenarzt aus Bietigheim. Mit gutem Grund. Denn die Rötung ist ein Signal für die mangelnde Sauerstoffversorgung des Auges, ausgelöst durch einen löchrigen und nicht richtig aufgebauten Tränenfilm. Um den Sauerstofftransport zu verbessern weiten sich die Blutgefäße, das Auge wird rot. "Weißmacher" wie die freiverkäuflichen Präparate Yxin oder Berberil haben als Wirkstoff einen Adrenalin-Abkömmling und der wiederum verengt die Gefäße, so Mehrle.
Zwar wird die Rötung beseitigt, nicht aber der Tränenfilm geflickt. Auf Dauer kann er seiner Aufgabe als Keimabwehr nicht nachkommen. Infektionen drohen. Schlimmer aber noch: Bleibt das Auge trocken, lösen sich Partikel von der Hornhautschicht ab. Der Betroffene wird lichtempfindlich, die Hornhaut trübt sich ein, die Sehfähigkeit lässt nach. Dass die Lebens- und Arbeitsumstände sowie Umweltbelastungen (Ozon, Schmutzpartikel, Allergene) und ein sich ändernder Östrogenspiegel bei Frauen am trockenen Auge, oder sagen wir besser an der Benetzungsstörung, Anteil haben, steht außer Frage. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der verkauften Präparate zur Beseitigung der Symptome verfünffacht, was als deutliches Indiz dafür zu werten ist.
"Benetzungsstörungen treten aber auch in Verbindung mit Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Rheumatismus oder entzündlichen Gefäßkrankheiten auf", weiß Prof. Horst Brewitt von der Medizinischen Hochschule Hannover. Weil die Bindehaut des Auges, die einen Teil des aus drei sensiblen Schichten aufgebauten Tränenfilms produziert, zum komplexen Immunsystem des Körpers gehört, gehen auch viele immunologisch und allergisch bedingte Krankheiten mit trockenen Augen einher. Auch Hauterkrankungen und Östrogenmangel können Ursache sein. Falsche Ernährung als Auslöser konnte bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Ebenso ist bislang ein Zusammenhang mit Nahrungsmittelallergien unklar.
Das alles zeigt, dass das trockene Auge mehr ein ernstzunehmendes Signal als ein Schönheitsfehler ist. Mit Filterpapierstreifen bestimmt der Augenarzt die Menge der Tränenflüssigkeit und mit der Einfärbung des Tränenfilms dessen Zustand. Je nach Ursache stehen unterschiedliche "künstlicheTränen" zur Verfügung, die mehrmals am Tag einzuträufeln sind. Als viel versprechend haben sich auch Gels mit dem Wirkstoff Cabomer erwiesen und erste Hinweise gibt es zur Wirksamkeit östrogenhaltiger Augentropfen. Dabei sollten Ärzte möglichst konservierungsmittelfreie Präparate verordnen.
Neben der medikamentösen Behandlung besteht auch die Möglichkeit, durch Verschluss der Tränenabflusskanälchen die Flüssigkeitsmenge zu steigern. Das Tragen von Kontaktlinsen ist bei Benetzungsstörungen immer ein Problem.
Vorbeugen:
Für ausreichende Luftfeuchtigkeit sorgen. Möglichst häufig an der frischen Luft aufhalten. Gebläse im Auto nicht auf die Augen richten. Kontaktlinsen regelmäßig benetzen, besser aber eine Brille tragen. Reizarme Kosmetika und Hautfette verwenden. Regelmäßige Lidreinigung. Rauchen einstellen, verräucherte Räume meiden.
www.augeninfo.de/patinfo/sicca.htm
www.Trockene-Augen.de www.mh-hannover.de/kliniken/augen/info.html