Cristiano Ronaldo hat 60 Mal für Real getroffen, bei der EM scheitert er wie ein Golfer, der aus einem Meter das Loch verfehlt.
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Als Cristiano Ronaldo den ersten Schuss des Spiels versemmelte, beschimpfte er Grashalme. Die konnten zwar nichts dafür, aber vermutlich verunmöglicht Ronaldos ausgeprägtes Ego, dass er sich selbst für eine verpasste Chance geißelt. Bei seiner zweiten großen Chance lief er aus schrägem Winkel allein auf den dänischen Keeper zu, den schoss er an. Er hob kurz seine Arme und ließ sie fallen, es ist die internationale Geste für Übergläubigkeit: "Das gibt’s doch nicht." Es sollte nicht die letzte Aktion von Ronaldo gewesen sein, einmal noch stand er völlig allein vor dem Tor, und diesmal schob er den Ball drei Meter vorbei. Er legte das Gesicht in seine Hände und sah danach hinauf in den Himmel. Vielleicht erhoffte er sich von dort Antworten.
Merkwürdig ist es jedenfalls, dass Ronaldo in den ersten beiden Partien im Torabschluss in einer Art und Weise versagt hat, als wäre das Können aus ihm herausgeflutscht. Für Real hat er in 55 Partien 60 Tore erzielt, eine derartige Konstanz hat der Fußball selten gesehen. Es ist zwar ein altbekanntes Phänomen, dass viele Spieler die bei ihren Klubs erbrachten Leistungen nicht ins Nationalteam transferieren können, und teilweise ist es auch erklärbar. Im Team haben sie andere Mitspieler, eine andere Position, haben sie vielleicht auch andere Aufgaben. Doch bei Ronaldo geht es um etwas anderes, nicht darum, dass er vielleicht nicht so stark spielt wie bei seinem Verein.
Es geht um seine Chancen, zu denen er sehr wohl gekommen ist, im letzten Fall sogar nach einem perfekt getimten Lauf, also einer wirklich starken Aktion. Doch Ronaldo hat alle sich bietenden Gelegenheiten für ihn recht eindrucksvoll vergeigt. Er stand vor dem dänischen Torhüter wie ein Golfer, dessen Ball einen Meter vom Loch entfernt liegt. Das ist keine besonders schwierige Aufgabe für einen Profigolfer, und die Branchenbesten verwerten einen solchen Putt praktisch immer. Aber ganz, ganz selten scheitern sie. Natürlich darf das auch einem Ronaldo passieren. Doch warum passiert es ihm ausgerechnet bei der Euro? Und warum zweimal in einem Spiel? Und hat er nicht auch schon bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren auf ähnliche Weise versagt?
Cristiano Ronaldo ist jener Spieler der Portugiesen, auf dem die ganze Last ruht, er ist der Erfolgsgarant. Theoretisch. Es ist verständlich, dass er dadurch einen großen Druck verspürt, doch das ist bei Jakub Blaszczykowski, Andrej Schew-tschenko und Zlatan Ibrahimovic auch der Fall. Doch die haben alle getroffen und mitunter auch hervorragende Partien abgeliefert.
Aus Interviews weiß man, dass Ronaldo immer der Beste sein wollte und nach wie vor will. Das Lionel Messi vielerorts als besserer Spieler bezeichnet wird, wurmt ihn. Beim Spiel gegen Dänemark sangen Fans auf der Tribüne "Messi, Messi", wenn er am Ball war, er wies nach dem Match darauf hin, dass Messi vor einem Jahr aus der Copa America ausgeschieden ist.
Wenn Ronaldo der Beste der Welt sein will, muss er bei einem großen Turnier die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Das weiß er. Und vielleicht ist es gerade dieses Wissen, das ihm und damit auch Portugal im Weg steht. Er kann es ja nicht verlernt haben, den Ball aus zehn Metern zu versenken.