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Und wieder ist es passiert: Seitenweise Gerüchte aus dem privaten Umfeld, Fotos, die jede Menschen-Würde vermissen lassen, auf mehreren Seiten breit getreten. Die Medien haben sich im Fall des Selbstmörders, der am Wochenende ein Haus einstürzen ließ, in ihrer Berichterstattung überschlagen. Und Facebook heißt dabei ihr neues Tagebuch, auf das sie jederzeit zugreifen können. Sie bildeten nicht nur ab, was hunderte Schaulustige zur Äußeren Mariahilfer Straße trieb, nämlich die Sensationsgier; sie gruben weiter, drangen in intime Bereiche vor und mussten (!) fündig werden. So schamlos, wie sie das Begräbnis eines Buben, der von seinem Vater erschossen wurde, via Live-Ticker verfolgten, so zeigten sie den Selbstmörder als Toten inmitten der Trümmer und viele intime Privatfotos dazu. Sie lieferten selbstverständlich auch den Grund für die Tat des 19-Jährigen: Freundin schwanger.
Erstens: Je detailreicher die Lebensumstände des Opfers/Täters beschrieben werden, umso eher besteht die Nachahmungsgefahr bei Jugendlichen in ähnlichen Situationen. Auch ist nie ein plakativer Grund Auslöser für einen Selbstmord. Zweitens sind die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und seiner Familie zu wahren. Man sollte abwägen, inwiefern das öffentliche Interesse größer ist als der Schutz der Privatsphäre. In diesem Fall war das Ereignis zwar außergewöhnlich, aber sicher nicht die Lebensumstände des Betroffenen.