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Wenn das Loslassen schwer fällt

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Staffelübergabe: So mancher Seniorchef trennt sich nur ungern von seinem Lebenswerk. Foto: fotolia

Jährlich suchen rund 6000 Firmen Nachfolger. | Nicht alle sind übergabetauglich. | Wien. Stolz und Hoffnung prägen dieser Tage die Gefühlswelt des Vorarlberger Unternehmers Ernst Winkler. Stolz ist der 60-Jährige auf sein Lebenswerk, einen 1979 gegründeten Malerbetrieb, zu dem später noch ein Unternehmen für Pulverbeschichtungen dazukam. Seit wenigen Wochen ist Winkler in Pension, denn Sohn Marco, 25, hat die Geschäftsführung der beiden Firmen übernommen. Der ehemalige Seniorchef hegt nun die Hoffnung, dass sie sein Sohn erfolgreich weiterführt.


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Die Voraussetzungen dafür sind gut, denn die beiden Firmen seien finanziell gut aufgestellt, sagt Ernst Winkler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Den berühmten Pensionsschock hat der ehemalige Seniorchef nicht. Er habe früh genug damit begonnen, sich mit dem Gedanken an den Rückzug aus dem Arbeitsleben anzufreunden, erzählt Winkler. Der Freizeitsportler - er spielt Golf und Tennis - wird außerdem seinem Sohn noch einige Zeit beratend zur Seite stehen.

So reibungslos wie im Familienunternehmen Winkler verlaufen Firmenübergaben jedoch nicht immer. Jedes Jahr suchen hierzulande rund 6000 Firmen einen Nachfolger. Im Zeitraum 2010 bis 2019 stehen laut Schätzungen der KMU Forschung Austria rund 55.000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit insgesamt etwa 485.000 Mitarbeitern vor den Herausforderungen einer Übergabe. Kleinstbetriebe mit einem bis 9 Mitarbeitern sind am stärksten von der Thematik der Unternehmensnachfolge betroffen. 71 Prozent der Unternehmen, die einen Nachfolger suchen, sind dieser Größenklasse zuzuordnen.

Oft ist der Zenitschon überschritten

Nicht alle Firmen sind übernahmetauglich. "Immer wieder haben Unternehmen, die Nachfolger suchen, ihren Zenit schon längst hinter sich gelassen. Dann ist nicht mehr genügend Substanz vorhanden, und es wird ein zu hoher Preis verlangt", sagt Ernst Jauernik, Sprecher der Übergabe-Consultants des Fachverbands Unternehmensberatung und IT (UBIT) in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Die KMU Forschung Austria bestätigt das: Bei einem Teil der Unternehmen, die zur Nachfolge anstehen, sei eine Fortführung durch einen Dritten unwahrscheinlich. Bei rund 10 Prozent sei die schlechte betriebswirtschaftliche Situation dafür verantwortlich. Im Durchschnitt von drei Jahren bestehe eine buchmäßige Überschuldung von mindestens 20 Prozent. Diese Unternehmen schreiben jährlich Verluste in der Höhe von 5 Prozent oder mehr des Umsatzes. Besonders relevant sei dies im Tourismus. Keine Nachfolger finden auch kleine Unternehmen im Einzelhandel, die nicht über Top-Standorte verfügen.

Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um einen Betrieb an einen Nachfolger zu übergeben, ist schwierig. Jauernik: "Idealerweise sollte man sich das schon bei der Gründung überlegen." Deutsche Mittelstandsforscher empfehlen, den Countdown fünf Jahre vor der eigentlichen Übergabe beginnen zu lassen. Das sei "nachvollziehbar, aber nicht apodiktisch", so Jauernik. Das Unternehmen sollte noch halbwegs funktionieren und Zukunftspotenzial haben, sonst werde es schwer, jemanden als Nachfolger zu gewinnen.

Peter Voithofer von der KMU Forschung Austria ergänzt: "So abgedroschen es klingt: Das Unternehmen muss zum Zeitpunkt der Übergabe wettbewerbsfähig sein." Grundsätzlich sei eine Übergabe kein Projekt, sondern ein längerfristiger Prozess. Und man müsse stets im Auge behalten, dass eine Übergabe manchmal auch ungeplant notwendig werde, etwa krankheitsbedingt oder durch einen Todesfall. Dann ist es gut, wenn das Unternehmen in einem übergabetauglichen Zustand ist.

Allzu oft werden Betriebe viel zu lange aufrechterhalten, weil sich der Unternehmer mental nicht von seiner Firma lösen kann. "Er hat sich sein Lebenswerk geschaffen und hat Angst davor, nach der Übergabe nutzlos zu sein", sagt Jauernik. Die Rücktrittsbereitschaft sinke mit steigendem Alter, fügt KMU-Experte Voithofer hinzu. So mancher erleidet nach der Staffelübergabe den Pensionsschock - doch das lässt sich vermeiden, wenn man vorausplant.

Manchmal ist es zielführend, sich den Rat einer familienfremden und daher emotional nicht involvierten Person einzuholen. Die rund hundert Übergabe-Consultants sehen sich als Anlaufstelle für Übergeber, Nachfolger und Übernehmer. "Wir bieten einen Mix aus Coaching, Mediation und ein bisschen Psychologie", sagt Jauernik.

Der Übergabeprozess wird von der ersten Idee der Übergabe an begleitet. Zusätzlich koordinieren die Berater den Einsatz weiterer Experten wie Steuerberater oder Rechtsanwälte, bis zur Umsetzung einer zukunftsfähigen Geschäftsstrategie. "Aber wir mischen uns nicht in Vater-Sohn-Konflikte ein. Wir bringen den Übergabeprozess auf die sachliche Ebene", betont Jauernik.

Was Nachfolger an der Uni lernen können

Die Donau-Universität Krems bietet ab September ein MBA-Programm mit Spezialisierung auf Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen an. Dabei wird ergänzend zur General-Management-Ausbildung soziale und emotionale Kompetenz als Grundlage für das Führen eines Familienbetriebes vermittelt. Die Ausbildung beinhaltet das Zertifikat "NachfolgemanagerIn im Familienbetrieb", das auch ohne MBA erworben werden kann. Zielgruppe sind potenzielle Nachfolger in Klein- und Mittelunternehmen.

Für alle am Lehrgang Interessierten hält die Donau-Universität am 12. April 2011 eine Informationsveranstaltung ab. Website Donau-Universität