Von Ägypten bis Russland zeigt sich: Der Sturz des jeweiligen Machthabers allein schafft noch keine Lösung der Situation. Das lehrt auch die Geschichte.
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So unterschiedlich Ägyptens Hosni Mubarak, Tunesiens Zine al-Abidine Ben Ali, Libyens Muammar al-Gaddafi und Russlands Wladimir Putin als ehemalige Staatschefs und politische Persönlichkeiten auch sein mögen, eine Eigenschaft ist ihnen allen gemein: In ihrer skrupellos wirkenden Autorität haben sie stets die Funktion von Lückenbüßern erfüllt und die Entstehung eines Machtvakuums zu verhindern gewusst.
Die Geschichte hätte vielen westlichen Beobachtern daher Mahnung genug sein müssen, dass mit dem Ausscheiden jener Männer das Feld noch keineswegs geräumt ist für eine parlamentarische Demokratie, wie man sie in Westeuropa und Nordamerika kennt, jedoch immer weniger schätzt. Man braucht nicht einmal weit zurückzuschauen und sich die Beseitigung des irakischen Diktators Saddam Hussein und das bis heute andauernde Chaos im Irak ins Gedächtnis zu rufen, um diese Lektion der Geschichte zu verstehen. Ein Blick nach Ägypten und Libyen nach dem Arabischen Frühling reicht völlig. Dort haben trotz parlamentarischer Wahlen die Machtspiele zwischen den Parteien erst begonnen.
Jenseits der sicheren Häfen einer euro-amerikanischen Demokratie, aber nicht allzu weit entfernt, leben Gesellschaften, in die sich das Modell eines Liberalismus nach westlichem Vorbild einfach nicht übertragen lassen will. Und dies nicht etwa, weil die Menschen dort unfähig wären, Menschenrechte zu achten und sich für Freiheit und Frieden einzusetzen. Historische Faktoren und eine grundverschiedene politische Kultur lassen ein System nicht zu, das ein Gros der Bevölkerung als neokoloniales Laster empfinden würde und dem sie ohnedies nicht viel abgewinnen kann.
Nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch in Russland gleicht die Situation also einem Dilemma: Soll der Westen starke Männer in Staaten unterstützen, die in weiten Teilen der Lokalbevölkerung vielleicht verhasst sind und Menschenrechte mit den Füßen treten, aber kooperieren? Oder Staaten, wo es keine zentrale Macht mehr gibt und wo selbst scheindemokratische Verhältnisse nicht über Elend und Gewalt hinwegtäuschen können? Welches von beiden Übeln nun das größere ist, hängt vom Staat selbst und von den einzelnen Bevölkerungsschichten ab.
Die Arabische Revolution ist zweifellos nicht so verlaufen, wie es sich viele westlichen Befürworter und Araber im In- und Ausland erträumt haben. Die Rückbesinnung auf den Islam, vor allem aber dessen engere Bindung an die Politik hat zu einer Verunsicherung geführt, die dem Wirtschaftswachstum jener Länder eher schadet als nützt.
Für europäische Regierungen war es überdies einfacher, Allianzen mit verhassten Machthabern zu bilden, als sich in eine Arena zu begeben, wo verschieden starke Kräfte um eine Vorherrschaft buhlen. Ganz gleich, ob es sich dabei um fundamental-islamische Strömungen oder korrupte Oligarchen handelt, ein Machtvakuum schafft keine Stabilität im Land. Und schon gar keine Sicherheit für Demokratien im Westen.