Nach Autonomie strebendes Katalonien verbietet Stierkampf. | Corridas werden als spanisches Kulturgut abgelehnt. | Barcelona/Wien. Überall in Spanien stehen die riesigen blechernen Stiere entlang von Autobahnen und Fernstraßen und wecken bei so manchem wiederkehrenden Spaniengast aus dem kalten Norden vertraute Urlaubsgefühle. Mehr als 90 der 14 Meter hohen Stier-Silhouetten, die ursprünglich einmal für den Weinbrand-Hersteller Osborne Werbung gemacht haben, gibt es im ganzen Land, und mittlerweile sind sie zu einem nationalen Wahrzeichen geworden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Lediglich in Katalonien steht keine einzige mehr. 2009 wurde in der nahe bei Barcelona gelegenen Gemeinde El Bruc der letzte tonnenschwere Metall-Stier von nationalistischen Seperatisten in nur drei Stunden demontiert, zwei weitere waren schon in den Jahren zuvor als Symbol des "spanischen Imperialismus" verstümmelt beziehungsweise zerstört worden.
Besorgte Sozialisten
Die Osborne-Stiere sind damit gewissermaßen zum Sinnbild einer Auseinandersetzung geworden, die nun auch den realen Stierkampf im nach mehr Autonomie strebenden Katalonien erreicht hat. In der wirtschaftsstärksten Region Spaniens, die seit jeher lieber den Esel als Wappentier verehrt, hat das Parlament am Mittwoch die Abschaffung der Corridas beschlossen, die vor allem in der Region um Madrid noch immer als hohe Kunst und zentrales Element spanischer Kultur betrachtet werden. Das Ergebnis der Abstimmung fiel dabei deutlich aus: 68 Abgeordnete im katalonischen Parlament votierten für das erste Stierkampfverbot auf dem spanischen Festland, 55 dagegen, neun Parlamentarier enthielten sich der Stimme.
Entscheidend für den Erfolg war dabei vor allem die Aufhebung des Fraktionszwangs bei den regierenden Sozialisten. Deren Chef Jose Montilla ist zwar in Andalusien geboren und auch ein bekennender Stierkampf-Fan, doch in der Partei ging schon geraume Zeit vor der Abstimmung die Furcht vor einer Abstrafung bei den Regionalwahlen 2011 um, sollte man sich nicht stramm nationalistisch zeigen. Und nachdem das Verfassungsgericht in Madrid vor wenigen Wochen das katalanische Autonomiestatut von 2006 zusammengestutzt und den Katalanen die Selbstbezeichnung als "Nation" verboten hatte, war die Angst vor der Niederlage nur noch größer geworden.
Die uralte Debatte über das Für und Wider der umstrittenen Tradition hatte sich in Katalonien allerdings schon in den Monaten zuvor spürbar verschärft. Selbst König Juan Carlos, ein bekennender Fan der "Fiesta Nacional", schaltete sich ein: "Der Stierkampf hat eine fruchtbare Kunst- und Kulturwelt hervorgebracht", sagte er und verwies dann auch gleich auf den Maler Pablo Picasso oder den Dichter Federico García Lorca, für die das blutige Spektakel in der Arena stets eine Quelle der Inspiration war.
Die Anhänger der Fiesta hatten vor allem argumentiert, dass ein Brauch nicht einfach per Gesetz abgeschafft werden dürfe. "Es geht doch nicht um Abtreibung. Dass wir im 21. Jahrhundert darüber diskutieren, eine jahrhundertealte Tradition zu verbieten, ist schrecklich", meinte etwa Filmregisseur Agustin Diaz Yanes.
Dem gegenüber standen allerdings jene 180.000 Katalanen, die mit ihrer Unterschrift die für ein Verbot werbende Tierschutzinitiative Prou! (Es reicht!) unterstützt haben. "Die Menschenrechte sind in Spanien garantiert, nun ist es an der Zeit, auch an die Rechte der Tiere zu denken", hatte der Prou!-Vorsitzende Leonardo Anselmi, der als gebürtiger Argentinier Spaniens Tierschützern nun zu einem historischen Triumph verholfen hat, immer wieder betont.
Desinteressierte Jugend
Dass es in der Diskussion um ein Stierkampf-Verbot in Katalonien vor allem auch um eine politische Abrechnung gegangen ist, zeigen freilich die nackten Zahlen. Der Stierkampf, der in ganz Spanien in der Krise steckt, hat vor allem in Katalonien in den letzten Jahren massiv gelitten. 2009 gab es laut der "Süddeutschen Zeitung" gerade einmal 18 Stierkampfnachmittage in Barcelona. Und während in den 50er- und 60er-Jahren Barcelona eine Hochburg der Toreros war, ist heute nur noch die Balanas-Arena, genannt "Die Monumentale", als letzte Stierkampfarena übrig geblieben. Vor allem die junge Generation empfindet die Kämpfe nicht nur als brutal, sondern auch als altmodisch, elitär und langweilig. Ein Ende der Stierkämpfe auf Grund der wirtschaftlichen Tristesse schien damit auch ohne dem ab 2012 geltenden Verbot absehbar.