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Wenn der Investor die Stadt gestaltet

Von Alexander Maurer

Politik

Die Architektenkammer kritisiert den starken Investoreneinfluss bei Flächenumwidmungsverfahren.


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Wien. "Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem sich Grundstückseigentümer ihre Baubedingungen mehr oder minder selbst schreiben können", ärgert sich Christoph Mayrhofer von der Architekten- und Ingenieurskonsulentenkammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Trotz des legitimen Wunsches der Investoren nach Wertmaximierung ihrer Projekte sei bereits in der Wiener Bauordnung verankert, dass das öffentliche Interesse Vorrang habe. Die jetzige Stadtpolitik gehe aber bei der Planung zunehmend den umgekehrten Weg und orientiere sich an den Bedürfnissen der Investoren, was in der jüngeren Vergangenheit immer deutlicher zutage trete, beklagt die Kammer am Mittwochvormittag.

Sie fordert daher ein Umdenken seitens der Stadt. Als prominentes Beispiel für investorenorientierte Stadtplanung werden die Danube Flats ins Rennen gebracht. Ursprünglich war das Areal des ehemaligen Cineplexx Reichsbrücke als Gewerbegebiet zur Strukturerhaltung konzipiert. Dieser Zweck wurde aber laut Mayrhofer auf Wunsch der Investoren recht schnell gekippt, als das gesetzliche Verbot der Errichtung von Wohnungen und die vorgeschriebene Gebäudehöhe von maximal 29 Metern aufgehoben wurden. Stattdessen soll auf dem Gebiet nun ein 150 Meter hoher Wohnhausturm - der größte Österreichs - entstehen, der 520 Wohnungen beherbergen soll. Auch die auf 12.000 Quadratmeter beschränkte Nettonutzfläche wurde auf 45.000 Quadratmeter, also knapp das Vierfache, ausgeweitet. Für Mayrhofer sei keine der Änderungen fachlich nachvollziehbar. Über die Rechtmäßigkeit der Flächenwidmung im Fall Danube Flats entscheidet aktuell der Verwaltungsgerichtshof.

Fachbeirat als Feigenblatt

Laut der Architektenkammer sei es oft schwierig, derartige Flächenumwidmungen als im öffentlichen Interesse liegend zu rechtfertigen. Ihr ist die "gängige Praxis" ein Dorn im Auge, dafür den Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung vorzuschieben. Das zwölfköpfige Gremium besteht aus Architekten und anderen Experten wie Raum- und Stadtplanern.

Hemma Fasch, welche von der Kammer als Mitglied in den aktuellen Fachbeirat entsendet wurde, bemängelt vor allem die geringe Vorlauf- und Bearbeitungszeit, die das Gremium für Anträge zur Verfügung hat. "Während der Sitzungen haben wir meist nur eine halbe Stunde Zeit, mitunter auch sehr umfangreiche Anträge zu bearbeiten. Das reicht einfach nicht, um sich damit seriös auseinandersetzen zu können", meint sie.

Mangels Einstimmigkeitspflicht bei Beschlüssen gehen die Stimmen kritischer Beiratsmitglieder meist im Stehsatz "Die Mehrheit der Fachbeiratsmitglieder sieht in der Überarbeitung die Forderung des Fachbeirates grundsätzlich erfüllt an" unter. Hinzu kommt noch, dass Beschlüsse des Fachbeirats nicht bindend, sondern lediglich Statements sind. Anders als bei Gestaltungsräten, wie sie beispielsweise in Salzburg zur Anwendung kommen und deren Empfehlungen verbindlich sind, liegt die Entscheidung über die Flächenwidmung am Ende immer beim Gemeinderat. Der Fachbeirat erfülle in den Augen der Architektenkammer daher lediglich die Funktion eines Feigenblatts, um Umwidmungen als mit öffentlichem Interesse konform erscheinen zu lassen. Im Büro Vassilakou wehrt man sich gegen die Unterstellung, der Fachbeirat würde vorgeschoben werden. "Er erhält die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Flächenwidmungsverfahrens und nimmt diese offensichtlich auch wahr", meint dazu Planungsdirektor Thomas Madreiter. Auf diese Stellungnahme scheint aber nicht immer Wert gelegt zu werden, wie die Neugestaltung des Heumarktareals zeigt.

Mehr Gewicht gewünscht

Zwar wurde das Projekt im Mai nach Kritik des Fachbeirats unter anderem an der Höhe des Wohnturms, die den Unesco-Welterbestatus der Sichtachse Belvedere-Innere Stadt gefährdet, von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auf Eis gelegt, bei der Präsentation der abgeänderten Pläne wurde das Statement des Gremiums und des Fachbeirats aber gar nicht mehr abgewartet. "Daran sieht man auch, wie viel Wert auf unsere Meinung gelegt wird", beklagt Fasch. Der Wohnturm würde übrigens zehn Meter niedriger, liegt damit aber immer noch 29 Meter über der Unesco-Vorgabe.

Die Architekten- und Ingenieurskonsulentenkammer wünscht sich, dass das Wort es Fachbeirats mehr Gewicht in der Stadtplanung bekommt. Neben einem Verbot für Beiratsmitglieder, während ihrer Tätigkeit für die Stadt zu arbeiten, und mehr Transparenz stünde hierbei auch eine Befugnisausweitung des Gremiums in Richtung eines Gestaltungsbeirats im Raum. Im Büro Vassilakou weist man die Vorwürfe der Architektenkammer unterdessen als "nicht nachvollziehbar" zurück.

Die Wiener Stadtplanung stehe auf einem soliden fachlichen Fundament und fände international große Beachtung und Nachahmung im Bereich der gesamtheitlichen Planung. Thomas Madreiter merkt auch an, dass die Stadtplanung auf "umfassenden Grundlagenstrategien" wie die Smart City Rahmenstrategie oder der Stadtentwicklungsplan "Step" 2025 fuße und sich die Flächenwidmung daher nicht einzelnen Projekten unterwerfe.

Zudem würden Bauprojekte anlassbezogen mit wichtigen Anspruchsgruppen, zu denen auch die Projektwerber gehören, im Dialog entwickelt. "Eine Zwei-Millionen-Stadt wie Wien kann und soll nicht am Reißbrett geplant werden", betont Madreiter.