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Wenn der Kamin wohlig knistert

Von Bernhard Baumgartner

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Lässt man den Blick über die Zeitschriftenregale schweifen, kommt man nicht umhin, den Trend zu Magazinen zu sehen, die sich mit "Leben auf dem Land" befassen. Eine schier unfassbare Anzahl an Titeln ist in den vergangenen Monaten erschienen, um dem werten Leser das wohlige Knistern des Kamins, knackiges Gemüse aus dem eignen Garten und die Schönheiten einer rustikalen Küche zu verkaufen. Fast könnte man meinen, das ganze Land habe die Leidenschaft für Tweed und Loden gepackt. Es schaut so aus, als wäre das rurale Bilderheft noch der letzte Zweig des Printjournalismus, in dem es ein dynamisches Wachstum gibt. Nun kommt der Paukenschlag jedoch aus einer eher unerwarteten Ecke: Die Stadtzeitung "Falter", besonderer Heimattümelei an sich unverdächtig, führt überraschend ein Ressort "Landleben" ein. "Kinderbetreuung am Land, Ärztemangel, Mobilität, Nachhaltigkeit, Slow Food sowie Garten und Pflanzen" - die Themenpalette ist konventionell gehalten. Man möge sich nur den Blick des Bewohners einer Soziologen-WG vorstellen, wenn man um zwei Uhr nachmittags (also nach dem Aufstehen) den "Falter" aus dem Postfach fischt und die druckfrische Beilage "Jagd und Hund" herausfällt. Doch Spaß beiseite, vermutlich hat sich die Leserbasis des "Falter" in den Jahren einfach verschoben. Wer vor fünfzehn Jahren noch lebenslustig im Achten studierte, bringt heute mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Speckgürtel mit dem SUV die Kinder zum Fußballtraining. Mit der Stadt wächst offenbar auch der Begriff "Stadtzeitung" ins Umland hinaus. Immer den Lesern nach.