Knapp mehr als 80.000 Kredite von Privatpersonen und Kleinstunternehmen sind derzeit gesetzlich gestundet.
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Miete, Strom, Versicherungsprämien und Kreditraten werden abgebucht, es trudelt aber nicht mehr das gewohnte Gehalt auf dem Konto ein: Viele Menschen haben wegen der Corona-Krise finanzielle Einbußen, etwa weil sie seit Monaten arbeitslos oder in Kurzarbeit sind. Angespannt ist die Lage auch bei vielen Kleinunternehmern, die auf ihre privaten Ersparnisse zurückgreifen müssen.
Zu den Hilfsmaßnahmen der Regierung zählt auch ein gesetzliches Kreditmoratorium für Private und Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und maximal 2 Millionen Euro Umsatz. Zunächst konnten die Zahlungen schnell und unbürokratisch für den Zeitraum von 1. April bis 30. Juni 2020 ausgesetzt werden. Mittlerweile wurde das Moratorium zweimal verlängert und gilt nun bis 31. Jänner 2021. Die gestundeten Monate werden an die vereinbarte Laufzeit des Kreditvertrages angehängt.
Zahlungen wurden wieder aufgenommen
Bis Anfang Juni wurden rund 104.000 gesetzliche Stundungen mit einem Volumen von 4,1 Milliarden Euro umgesetzt. Viele Bankkunden haben seitdem ihre Zahlungen wieder aufgenommen, und derzeit sind knapp über 80.000 Kredite mit einem Volumen von 6,6 Milliarden Euro gesetzlich gestundet, sagt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Dazu kommen 60.000 privat gestundete Kredite mit einem Volumen von über 17 Milliarden Euro. Die heimischen Banken hätten schon Mitte März - also noch vor Inkrafttreten des gesetzlichen Moratoriums -, als in der Wirtschaft die Rollbalken hinuntergingen, damit begonnen, massiv private Stundungen zu ermöglichen, so Rudorfer. Wobei es sich vorwiegend um Unternehmen handelte, denen klar wurde, dass sie wegen des Lockdowns keine Einnahmen erzielen würden.
Die meisten Stundungsanfragen gingen bei den Banken im März und April ein, ein Teil der Kunden ist bereits wieder in der Lage, die Raten zu bezahlen. Diese Entwicklung vollzog sich auch bei den Bausparkassen, die 2019 Darlehen von insgesamt rund 18 Milliarden Euro verwalteten. "Mit Corona-Bezug sind zwischen März und August etwa 70 Prozent der Stundungen eingegangen, die regulär über einen 12-Monats-Zeitraum eingehen. Seit Juli laufen die ersten Stundungen wieder aus", heißt es bei der Wüstenrot Bausparkasse. Ein Teil sei laut gesetzlichen Rahmenbedingungen verlängert worden, ein nennenswerter Anteil werde aber bereits wieder regulär bedient. Die Situation normalisiere sich langsam wieder.
Bei der s Bausparkasse haben bisher circa 7 Prozent der Darlehenskunden eine temporäre Zahlungserleichterung bzw. -befreiung beantragt. Davon hat ungefähr die Hälfte das spezielle Corona-Schutzpaket des Instituts gewählt und die andere Hälfte das gesetzliche Moratorium. Den "Komme-Was-Wolle-Vorteil" (bei unerwarteten Ereignissen können Kunden bis zu 24 Monate nur die Zinsen ihres Darlehens zahlen) nehmen üblicherweise circa 0,1 Prozent in Anspruch.
Der Schuldenberg wird nicht kleiner
Auf das Bausparen selbst wirkt sich die Corona-Krise nicht nennenswert in Form von Zahlungspausen oder vorzeitiger Kündigung von Bausparverträgen aus. "Gerade in den ersten Wochen des Lockdowns wurden wir mit vielen solcher Kundenanfragen konfrontiert. Die Unsicherheit die eigene wirtschaftliche Situation betreffend war bei den Menschen sehr groß", so eine Sprecherin der Raiffeisen Bausparkasse. In Anspruch genommen wurden die Möglichkeiten aber in weitaus geringerem Ausmaß als erwartet. Vorzeitige Kündigungen von Bausparverträgen habe es lediglich vereinzelt gegeben.
Das gesetzliche Kreditmoratorium verschafft vielen Menschen, die schon länger mit ihren Ausgaben kämpfen, eine Atempause. Der Schuldenberg insgesamt werde aber dadurch nicht kleiner, betont Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der asb, der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen. Nach der von vielen Experten erwarteten Welle von Firmenpleiten dürften auch die Privatinsolvenzen zeitverzögert deutlich zunehmen. In Deutschland erwarten die Schuldenberatungen noch in diesem Herbst einen Anstieg derselben.
In Österreich rechnet Mitterlehner damit, dass sich die Lage zu Frühlingsbeginn zuspitzen wird. Arbeitslosigkeit beziehungsweise Einkommensverschlechterung (etwa durch Kurzarbeit, Wegfall von Überstunden oder des Partnereinkommens) sei der häufigste Grund für Überschuldung, gefolgt von gescheiterter Selbständigkeit. "Wie viele finden nach der Pandemie zurück in ihren alten Job?", fragt sich Mitterlehner.