Washington - Mit der "Operation TIPS" will das US-Justizministerium seinen Informationsstand über verdächtiges Verhalten verbessern und mögliche neue Terror-Komplotte aufdecken. Kritiker fürchten jedoch durch die geplante Aktion eine Bespitzelung der Amerikaner untereinander in riesigem Ausmaß, die weit in den Privatbereich hinein reicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
TIPS steht für "Terrorism Information and Prevention System" und soll im Spätsommer oder im Frühherbst bereits starten. Derzeit werde mit verschiedenen Berufsgruppen über eine Teilnahme verhandelt, heißt es seitens des Ministeriums von John Ashcroft. Die Briefträger haben sich allerdings bereits geweigert, als Nebentätigkeit zur Postzustellung die Empfänger zu bespitzeln.
Dies trug den Postboten umgehend scharfe Kritik wegen angeblicher mangelnder Solidarität im Anti-Terror-Kampf ein: "Könnt ihr euch nicht mehr an die Anthrax-Briefe erinnern?" fragte ein "FOX"-Moderator spitz. Die mit den Milzbranderregern verseuchten Poststücke hatten vergangenen Herbst für einen Großeinsatz der Anti-Terror-Spezialisten und C-Waffen-Teams in den Postämtern geführt. Durch Kontakt mit den Anthrax-Briefen waren fünf Menschen gestorben und mindestens 13 weitere an Lungen- oder Hautmilzbrand erkrankt. Der oder die Absender der Briefe wurden noch immer nicht entdeckt.
Das Justizministerium versicherte unterdessen, Privatwohnungen sollten bei dieser Operation nicht ausspioniert werden. Es gehe nur um die Meldung von "ungewöhnlichen" Vorfällen auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dazu sollten "Millionen Amerikaner" verdächtige Wahrnehmungen per Telefon oder Internet melden. In einem Zentrum würden dann diese Beobachtungen verknüpft und ausgewertet sowie in einer Datenbank gespeichert.
Die Kritiker der "Operation TIPS" warnen aber vor einer Gefahr für die Menschen- und Bürgerrechte, wenn der Staat zum gegenseitigen Bespitzeln ermuntert. Bürgerrechtsgruppen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) fürchten, dass dadurch private Wohnungen ohne Durchsuchungsbefehle ausgespäht werden. "Erinnerungen an die Stasi in Ostdeutschland werden wach", heißt es in einem Kommentar der "New York Times": Dort seien Akten über sechs Millionen Bürgern angelegt worden, rund ein Drittel der Bevölkerung. "Die Grundidee, dass Bürger andere Bürger bespitzeln und die Regierung Akten darüber anlegt, ist ein Zeichen für ein totalitäres System".
Ab Spätsommer bzw. Herbst, wenn die Operation offiziell gestartet werden soll, müsse man sich ernsthaft Gedanken machen, ob der Fernsehmonteur nur aus persönlichem Interesse oder zu Spionagezwecken die abonnierten Zeitschriften genau betrachte. Auch eine Debatte mit einem neugierigen Pizza-Boten über Nahost-Politik empfehle sich nicht mehr, rät die "New York Times". Als erste Kandidaten eines "auffällig un-amerikanischen Verhaltens", die bei der "Operation TIPS" den Behörden gemeldet werden sollten, solle man aber gleich jene Beamten denunzieren, die diesen unseligen Plan ausgeheckt hätten. APA
Informationen im Internet unter http://www.citizencorps.gov/tips