Steuerhinterzieher kommen straflos davon, wenn sie sich freiwillig stellen. Ein Privileg, das längst abgeschafft gehört.
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Steuerhinterziehung, so tönte der prominente Schweizer Privatbankier Konrad Hummler noch vor wenigen Jahren, sei für die geplagten Bewohner der Hochsteuerstaaten Deutschland oder Österreich aus seiner Sicht kein Delikt, sondern eine Art von berechtigter Notwehr. Schweizer Banken, die diesen Kunden beim Vermeiden von Steuern behilflich seien, handelten daher ähnlich wie Staaten, die politisch Verfolgten Asyl gewährten - so provozierte der Bankier in zahlreichen Interviews.
Was bis vor Kurzem nicht nur von helvetischen Banken, sondern auch von vielen wohlhabenden Österreichern und Deutschen als informelles Argument verwandt worden ist, Steuern zu verkürzen, wird wohl bald Geschichte sein. Nicht zuletzt unter dem Diktat der knappen Kassen räumen die EU-Staaten nun ziemlich radikal auf, Herrn Hummlers Geschäftsmodell wird demnächst genauso obsolet sein wie das Bankgeheimnis und andere Instrumente der notorischen Abgabenvermeider.
Das ist grundsätzlich auch aus liberaler Sicht wünschenswert. Denn der Umstand, dass die Steuerlast konfiskatorisch hoch ist und deutlich gesenkt gehört, berechtigt deren Opfer ja trotzdem nicht dazu, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Wer der (richtigen) Meinung ist, Drogenkonsum sei zu liberalisieren, ist deswegen ja auch nicht befugt, im Vorgarten Cannabis anzubauen.
Irgendwie schräg kommt freilich daher, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich der Staat die Notwehrtheorie der Steuerhinterzieher zumindest indirekt unterstützt. Denn im Gegensatz zu allen anderen Verbrechen schützt im Falle der Steuerhinterziehung die Selbstanzeige vor Strafverfolgung; zumindest solange die Tat noch unerkannt geblieben ist. Wer seinem Arbeitgeber eine Million klaut, wird trotz Selbstanzeige bestraft werden, wer dem Staat eine Million (Steuern) klaut, dagegen nicht - logisch ist das nicht.
Der Grund für diese Ungleichbehandlung ist klar: Der Staat generiert so mehr Steuern, als ohne das Instrument der Selbstanzeige möglich wäre. Es gehe dem Staat darum, "die Kassen zu füllen und nicht die Knäste," hat das ein deutscher Steuerfahnder jüngst auf den Punkt gebracht. Indem er einräumt, dass es ihm primär nicht um die Durchsetzung des Rechtsstaates geht, sondern viel mehr um die bloße Maximierung seiner Steuer-Einnahmen, begibt sich der Staat freilich auf Augenhöhe mit dem Steuerhinterzieher. Denn auch der maximiert ja sein Einkommen zu Lasten des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit. Damit delegitimiert aber der Staat bis zu einem gewissen Grad letztlich seinen Anspruch, die Steuerzahlung strafbewehrt durchzusetzen.
Es erscheint daher rechtsstaatlich durchaus geboten, das Privileg der Straflosigkeit der Steuerhinterziehung bei Selbstanzeige zu streichen. Das Argument, dann käme es zu Steuerausfällen, ist zwar richtig, aber irgendwie unsittlich: Der Rechtsstaat kann ja nicht gut für ein paar hundert Millionen suspendiert werden.
Einigermaßen Akzeptanz würde diese Verschärfung freilich nur dann finden, wenn der Staat die inhaltlich ja zutreffende Kritik Herrn Hummlers endlich ernst nimmt - und im Gegenzug die Abgabenlast so weit senkt, dass Notwehr kein ernsthaftes Argument mehr sein kann.
Kommentar erschienen in der Druckausgabe der "Wiener Zeitung" vom 4./5. Mai 2013.