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Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Moskau hält Assad ungeachtet aller Gräuel die Stange, um die eigene geopolitisch wichtige Position in Nahost zu sichern.


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Bashar al-Assad, Machthaber in Restsyrien, setzt Fassbomben ein, hält 150.000 Zivilisten im eingeschlossenen Aleppo unter Dauerbeschuss und unterbindet jede humanitäre Hilfe für sie. Er verstößt damit gegen Völkerrecht, die dritte Genfer Konvention von 1949 zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten und die UNO-Menschenrechtsdeklaration von 1948. Niemand fährt ihm in die Parade, weil Russland seinen Schützling deckt. Schon viermal hat Russland im Sicherheitsrat mittels Veto eine Maßregelung verhindert, ebenso die Untersuchung der Gräuel in Syrien oder Assads angeblichen Einsatz von Giftgas durch den Internationalen Strafgerichtshof.

Die UNO-Charta von 1945 misst dem Sicherheitsrat die Aufgabe zu, ein Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen durchzusetzen. Damit auch Stalin der Staatengemeinschaft beitrete, legten USA, UdSSR und Großbritannien in der Konferenz von Jalta fest, dass die Großmächte Entscheidungen, die ihre Interessen berühren, mit Veto im Sicherheitsrat blockieren können. Folglich unterliegen die Entscheidungen des Sicherheitsrats keiner Rechtskontrolle. So scheiterte auch eine UNO-Resolution gegen die Annexion der ukrainischen Krim an Russlands Veto.

Syrien berührt allerdings erheblich Moskaus geopolitische Interessen in Nahost. Seit 1971 gewährt es den Russen einen Flottenstützpunkt in Tartus - mittlerweile der einzige am Mittelmeer. Weil der Kreml zu Recht befürchtet, diesen Stützpunkt nach Assads Sturz zu verlieren, unterstützt er ihn ungeachtet aller Gräueltaten - frei nach US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza als stabilisierenden Faktor in Zentralamerika unterstützte und über ihn sagte: "Er ist ein Hundesohn, aber er ist unser Hundesohn."

Assad kennt natürlich seinen geopolitischen Wert. Er kennt aber auch die innenpolitischen Probleme, die er ohne Moskaus Schutz hätte. Sein Vater Hafis putschte sich und damit auch die Minderheit der muslimischen Sekte der Alawiten 1970 an die Macht. Hafis ertränkte Revolten in Blutbädern wie etwa 1982 mit 30.000 Toten in Hama. Da wären also noch etliche Rechnungen offen, zumal Bashar jegliche Opposition als "Terroristen" bekämpft. Der IS ist deshalb nicht sein Hauptgegner, obwohl die Alawiten für die sunnitische Terrormiliz "Ungläubige" sind, hingegen etwa vom schiitischen Iran unterstützt werden. Die nachhaltigsten militärischen Erfolge gegen den IS errangen bisher die vorwiegend sunnitischen Kurden (mit Unterstützung der USA und Russlands) - diese sind allerdings seit 1918 auf Syrien, die Türkei, den Iran und den Irak zersplittert und kämpfen um ein unabhängiges Kurdistan.

In diesem ebenso komplizierten wie verwirrenden Geflecht gegensätzlicher Interessen zeichnet sich keine Lösung ab. Da nimmt sich Moskaus Forderung, Assad in jede Lösung etwa durch gesamtsyrische Wahlen einzubinden, wie ein diplomatisches Placebo aus: Wer garantiert wirklich faire Wahlen in diesem Tohuwabohu? Was geschähe, wenn Assad die Wahlen verlöre? Was würde aus dem wichtigem Stützpunkt Tartus?

In Summe ergibt sich daraus für die Kooperation zwischen Damaskus und Moskau das absurde Bild, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt, weil der Hund den Schwanz braucht.