Landeshauptmann Schützenhöfer tritt eine Debatte über Eingriffe in Privatwohnungen los. Was wäre rechtlich möglich?
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Der private Wohnbereich bleibt von den Corona-Maßnahmen unangetastet. Die türkis-grüne Bundesregierung wird nicht müde, das immer wieder zu betonen. Am Dienstag wurde diese Linie auf Landesebene aber infrage gestellt. Im "Kurier" forderte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), in den Privatbereich einzugreifen, falls dort gegen Corona-Regeln verstoßen wird. Für solche Eingriffe müsse ein verfassungsrechtlich gangbarer Weg gesucht werden.
Eine prompte Absage kam von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Kontrollen im privaten Wohnbereich seien nicht vom Covid-19-Maßnahmengesetz gedeckt, daran wolle er auch festhalten, sagte Anschober. Die Opposition stellte sich geschlossen gegen Schützenhöfers Vorschlag. "Schnüffeln in privaten Wohnräumen ist für uns ausgeschlossen", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl warf Schützenhöfer vor, er wolle "seine austrofaschistischen Überwachungsfantasien" ausleben. Die Neos bemängelten: "Die Allmachtsfantasien der ÖVP nehmen kein Ende", so Niko Swatek, Klubobmann der Pinken in der Steiermark.
Abwägung notwendig
Die heftigen Reaktionen zeigen, auf welch sensibles Terrain sich Schützenhöfer mit seinem Vorstoß gewagt hat. Der private Wohnbereich ist verfassungsrechtlich geschützt - sowohl durch das Staatsgrundgesetz 1867 als auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Das bedeutet allerdings nicht, dass schlechthin jedweder Eingriff in das Wohnrecht unzulässig wäre.
Laut Art 8 Absatz 2 EMRK ist ein Eingriff nämlich dann zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine notwendige Maßnahme zum Schutz bestimmter Rechtsgüter darstellt. Darunter fällt auch der Schutz der Gesundheit. Daher wäre ein Eingriff in das Wohnrecht, um die Verbreitung einer hochansteckenden Krankheit abzuwehren, nicht per se verfassungswidrig.
Letztlich laufe es hierbei auf eine Abwägungsfrage hinaus, erklärt Verfassungsrechtler Karl Stöger von der Uni Wien der "Wiener Zeitung". Der Gesundheitsschutz muss mit dem Eingriff in das Grundrecht abgewogen werden - und dann entschieden werden, ob die Krankheit und das Infektionsgeschehen den Eingriff rechtfertigen. Eine solche Prüfung müsse äußerst sorgfältig erfolgen und mit medizinischen Erkenntnissen untermauert werden, sagt Stöger. Neben der rechtlichen Abwägung müsse man aber auch die politischen Konsequenzen beachten: "Es ist auch eine Frage der Akzeptanz. Solche Eingriffe müssen immer danach dosiert werden, was die Gesellschaft aushält."
Fest steht laut Stöger, dass es derzeit keine "saubere, gesetzliche Grundlage" für Eingriffe in die Privatwohnung wegen Covid-19 gibt. Eine solche Grundlage wäre laut EMRK aber jedenfalls erforderlich. "Das Covid-19-Maßnahmengesetz hat private Haushalte explizit von Eingriffen ausgenommen. Das wurde bewusst ausgeschlossen", sagt der Verfassungsrechtler. Auch Garagen und Kellerabteile sind davon umfasst.
"Für den privaten Wohnbereich darf laut dem Maßnahmengesetz also nichts verordnet werden", so Stöger. Dafür bräuchte es erst eine einfachgesetzliche Änderung, die laut türkis-grüner Bundesregierung aber keinesfalls geplant ist.
Fraglich ist, ob die Exekutive bei exzessiven Partys nicht ohnehin bereits eingreifen kann. Auf solche Feiern zielte auch Schützenhöfers Vorschlag ab. Er wolle nicht "in Schlafzimmer hineinschauen", erklärte er: "Aber wenn bei Privatpartys in einem Keller oder in einer Gartenhütte Exzesse gefeiert werden, muss man das auflösen können."
Einschreiten bei Ruhestörung
Spielraum gibt es hier etwa durch die landesgesetzlichen Vorschriften im Bereich des Lärmschutzes. Sie ermöglichen es der Exekutive etwa, bei ungebührlichem Lärm Geldstrafen zu verhängen. "In der Praxis wird das dazu führen, dass sich die Party auflöst", sagt Stöger.
In Extremfällen könnte von der Exekutive auch das Strafrecht beigezogen werden, schrieb der Verfassungsrechtler Benjamin Kneihs am Dienstag in einem Gastbeitrag in der "Presse". Diese Ansicht teilt auch Stöger grundsätzlich. Der Hintergrund:
§ 178 des Strafgesetzbuches stellt die vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten unter Strafe. "Wenn sich ein paar Menschen, die sich alle für gesund halten, zusammensetzen, wird das zwar nicht schlagend", so Stöger.
In Extremfällen, bei denen "hundert Leute in einem kleinen Keller ohne irgendwelche Schutzmaßnahmen" feiern, könnte das aber anders ausgelegt werden. Hier sei zu überlegen, ob nicht der Verdacht eines Verstoßes gegen § 178 StGB vorliege, meint Stöger. Das sei dann gegeben, wenn die Teilnehmenden das Risiko einer Ansteckung ernsthaft für möglich halten und auch in Kauf nehmen. In diesem Fall könnte die Exekutive gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz einschreiten und die Feier auflösen.
Lockdown klarer geregelt
Sollte es zu einem neuen Lockdown kommen, würden sich solche Diskussionen laut Stöger erübrigen. War im Frühjahr noch weitgehend unklar, was nun erlaubt ist - Stichwort: Oster-Erlass -, so herrscht nun mehr Klarheit: "Wenn man jetzt einen Lockdown macht, wäre ein Freundesbesuch ausgeschlossen", sagt Stöger. Als Ausnahme bei Ausgangsbeschränkungen gelte zwar "die psychische und physische Erholung": "Ein Freundesbesuch tut zwar sicher gut, kann damit aber nicht gemeint sein."