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Burkina Faso galt lange Zeit als Insel der Stabilität in der Sahelzone. Doch nun hat auch dieses Land der Terror erfasst. Das sorgt für eine humanitäre Krise.
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Die Schüler in Burkina Faso werden auf das Schlimmste vorbereitet. In Übungen, die nun in vielen Schulen abgehalten werden, müssen sie schnell die Tür vom Klassenzimmer abriegeln, sich unter den Tisch werfen, die Hände an den Kopf legen und sich nicht rühren. So werden sie darauf vorbereitet, wie sie sich verhalten sollen, falls ihre Schule von Terroristen angegriffen wird.
Dass das passiert, ist in den vergangenen Monaten immer wahrscheinlicher geworden. Galt der westafrikanische Staat noch als einigermaßen stabile Insel in der Sahelzone, ist mittlerweile die Gewalt auch nach Burkina Faso übergeschwappt. Islamistische Terrorgruppen überfallen Märkte und richten dort Blutbäder an, massakrieren ganze Dörfer, dringen in Kirchen ein und erschießen die Betenden. Selbst stark bewachte Luxushotels haben Terroristen angegriffen, auch Entführungen haben sie durchgeführt. Hunderte Menschen sind bereits dem Terror zum Opfer gefallen, und die Situation wird immer schlimmer; das Jahr 2019 war das mit den bisher meisten Attacken.
Flüchtlinge unterernährt, Mangel an sauberem Wasser
Wirklich sicher ist man nirgendwo, am verheerendsten ist aber die Situation im Norden und Osten des Landes, wo der Staat über manche Gebiete die Kontrolle verloren hat. Das hat auch humanitäre Auswirkungen in dem ohnehin bereits bitterarmen Staat. Mehr als 500.000 Menschen sind allein 2019 innerhalb des Landes geflohen. Wer nicht bei Verwandten untergekommen ist, ist nun in improvisierten Lagern oder Zeltstädten untergebracht. Dort kommen die Flüchtlinge oft unterernährt an. Denn Lebensmittelhilfe gelangt kaum mehr in die betroffenen Regionen - zu viele Transporte wurden schon überfallen.
Auch haben die Flüchtlinge lange keine medizinische Betreuung erhalten, denn mehr als 100 Gesundheitszentren, in denen es zumindest eine kleine Basisversorgung gab, mussten schließen. "Schwangere Frauen oder kleine Kinder, die eine medizinische Betreuung gebraucht hätten, haben diese teils über Monate nicht erhalten", berichtet Moussa Ousman, der stellvertretende Einsatzleiter von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) in Burkina Faso.

Die Organisation ist in medizinischen Einrichtungen aktiv und versorgt in schnell aufgebauten Notfallzentren Vertriebene. Die Versorgung beginnt schon bei Grundsätzlichem, etwa der Bereitstellung von sauberem Wasser. "Viele Menschen, die wir betreuen, hatten zuvor nur Zugang zu verschmutztem Wasser", sagt Ousman der "Wiener Zeitung". Das zeigt sich auch in vielen Durchfallerkrankungen, die derzeit laut dem Arzt eines der größten Probleme darstellen. Auch Malaria tritt gehäuft auf - weil man sich am Ende der Regenzeit befindet und deshalb nun viele Mücken unterwegs sind. Ousman befürchtet zudem, dass sich die Meningitisfälle häufen. Die Gefahr einer Verbreitung der Hirnhautentzündung wächst nämlich, je mehr Menschen auf engem Raum zusammenleben.
Es scheint auch nicht, dass sich die Sicherheitslage und damit die humanitäre Situation in diesem Jahr entspannen wird. Im Jänner 2020 gab es erneut eine Vielzahl von Attacken. So haben Terroristen erst vor rund einer Woche einen Markt in der zentralen Provinz Sanmatenga angegriffen und mehr als 30 Menschen getötet. Nach einer Attacke auf ein Dorf im Norden des Landes am Wochenende wurden ebenfalls dutzende Todesopfer befürchtet.
Das Land ist Opfer seiner geografischen Lage
In Burkina Faso sind verschiedene islamistische Milizen aktiv, die laut eigenen Angaben Verbindungen zum Islamischen Staat oder der Al-Kaida haben. Burkina Faso wurde dabei Opfer seiner geografischen Lage. Denn ihren Ursprung haben diese Gruppen zumeist in Mali oder Niger. Sie haben sich zunutze gemacht, dass die Grenze kaum überwacht wird und sich so nach Burkina Faso ausgebreitet. Militär und Polizei sind in dem verarmten Land zu schwach, um die Terroristen effektiv zu bekämpfen. Und die internationale Hilfe ist spärlich. Frankreich, das schon Militär in der Region stationiert hat, will zwar gemeinsam mit den betroffenen Staaten in der Grenzregion von Mali, Niger und Burkina den Einsatz verstärken. Andere EU-Staaten zögern aber, die gefährliche Mission zu unterstützen.
Der Terrorismus vermischt sich oft mit Drogenhandel und Menschenschmuggel. Zudem versuchen die islamistischen Milizen, ethnische Rivalitäten in der Region zu instrumentalisieren, um so einzelne Volksgruppen als Verbündete zu gewinnen.
Das "Italian Institute for International Political Studies" - eine Denkfabrik, die die Lage in Burkina Faso analysiert hat - sieht jedoch einen Grund zur Hoffnung: Die staatlichen Institutionen haben gehalten, sie sind nicht, wie in anderen Ländern, unter dem Ansturm der islamistischen Milizen zusammengebrochen. Auch Hilfsorganisationen berichten, dass die Behörden die Flüchtlinge nicht allein gelassen, sondern Zelte zur Verfügung gestellt hätten. Aber die Kapazitäten eines der ärmsten Staaten auf der Welt sind begrenzt - ohne Unterstützung wird Burkina Faso seine Krise nicht bewältigen können.