Zum Hauptinhalt springen

Wenn der Vater mit der Tochter

Von Brigitte Suchan

Wissen

Väter und Töchter, so sagt man, verbindet oft ein besonders inniges Verhältnis. Das "Wiener Journal" traf den Physiker und Science Buster ^, eine erfolgreiche PR-Managerin im Tourismusbereich, um über ihr besonderes Vater-Tochter-Verhältnis zu sprechen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Heinz Oberhummer ist sehr aufgekratzt, als er zum Gesprächstermin in ein Wiener Innenstadthotel kommt. Eben hat er erfahren, dass er den Preis der Stadt Wien für Volksbildung erhalten hat. Aus der Tasche seines dunklen Anzugs zieht er eine Krawatte, um sich für die Fotos schön zu machen, wie er lachend ankündigt. Es herrscht großes Hallo und Gelächter beim Wiedersehen mit Tochter Astrid. Die beiden mögen einander, das sieht man auf den ersten Blick. Astrid Oberhummer leitet eine PR-Agentur für Luxushotels und lebt in Frankfurt, die beiden sehen einander nicht allzu oft und freuen sich über das außerplanmäßige Treffen anlässlich des Interviews mit dem "Wiener Journal".

Heinz Oberhummer (links) und Astrid Oberhummer (rechts)

Was ist das Besondere an der Vater-Tochter-Beziehung zwischen Heinz und Astrid Oberhummer?

Sie hätte sich einige Gedanken darüber gemacht, beginnt Astrid Oberhummer und legt einen Block auf den Tisch. Beide, so meint sie, kennzeichne der starke Freiheitsdrang gepaart mit einer Verbundenheit zur Heimat. "Aber Du lebst ja schon lange in Deutschland", wirft Heinz Oberhummer ein. "Ja aber Heimat, das sind Österreich und die Berge", entgegnet Astrid - und am Ende des Tages die Menschen, der Vater. "Ich weiß, wo meine Wurzeln sind.

Immer, egal wo ich bin, und das mach ich auch jedem klar", sagt sie bestimmt. Was sie noch verbinde, sei Understatement. "Oder?", sie schaut den Vater fragend an. "Ja total", meint der, "aber dadurch kommen wir überall auf der Welt gut an." Beide versuchen dem Trick der "lieben Österreicher", wie sie es nennen, auf den Grund zu gehen, dem sie glauben ihre Beliebtheit zu verdanken. "Es liegt an der Sprache", versichert Heinz Oberhummer. Auch im wissenschaftlichen Bereich stelle er das immer wieder fest: "‚Ah, Sie reden so nett!‘, sagen die Leut."

Er frage sich immer, wie die Astrid das macht, so im Umgang mit den Kunden, die finanziell zumindest aus dem oberen Bereich kommen. "Sie ist so natürlich", stellt der Vater bewundernd fest. "Wir reden so, wie wir sind", kommen beide nach einem Exkurs darüber, wie langweilig die Promiwelt sei mit ihrem nichtssagenden Smalltalk, schließlich zum Schluss. "Aber wir machen das natürlich auch, weil wir wissen, dass das gut ankommt", meinen sie unisono und schmunzeln. "Wir nehmen uns selber nicht so ernst. Ein alter Professor, der vor sich herträgt, wie gut er ist, das ist ja schrecklich", brummelt Heinz Oberhummer.

Astrid Oberhummer versucht, das Gespräch in objektivere Bahnen zu lenken. Sie hat einige Leitmotive der Familie Oberhummer aufgeschrieben: "Entdecken, erforschen, lehren..." "Und die soziale Komponente", ruft der Vater dazwischen, "wir lieben die Menschen!" Beide überlegen, wie sie es denn geschafft haben, beruflich so erfolgreich zu sein. Auch in der Wissenschaft komme es darauf an, dass man zur richtigen Zeit die richtigen Kontakte hat und auf die richtigen Leute zugeht, resümiert der Professor. Aber man müsse seine Leistungen auch verkaufen. "Alles muss man verkaufen, auch die Wissenschaft. Wir sind gute Verkäufer", stellt Heinz Oberhummer fest. "Das war mir noch gar nicht so bewusst", lacht Astrid. Aber beim Schnelldurchlauf ihrer Lebensstationen wird ihr klar: "Ich hab immer das Gefühl gehabt, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war mit den richtigen Leuten." Und nach einiger Zeit fügt sie hinzu, weil es ihr offenbar wichtig scheint, sich zu deklarieren: "Ich bin ich, das ist, was ich zu bieten hab."

Möglicherweise ist diese Authentizität, die herzliche Art das Erfolgsgeheimnis, davon ist zumindest der Vater überzeugt. Sozusagen als Gegenentwurf zu einer Welt, in der vieles nur Schein sei. "Wir brauchen uns nie verstellen, so ein Privileg hat nicht jeder", sagt Heinz Oberhummer, der nach seiner wissenschaftlichen Karriere mit den Science Busters ein zweites Leben als Kabarettist begonnen hat.

"Bezeichnest Du dich als Kabarettist?", fragt die Tochter nach: "Nein, eigentlich nicht, was wir machen, der Werner und ich, ist Wissenschaftskabarett, der Martin Puntigam, der ist ein Künstler. Wir sind keine Schauspieler."

Die weite Welt

Was Vater und Tochter auch verbindet, erzählt Astrid, sei der Auslandsaufenthalt in jungen Jahren. "Der Papa hat sich mit 14 aufgemacht nach Amerika zu Bekannten - in der Lederhose und mit einer Wurstsemmel. Und ich war zehn damals, als ich zum ersten Mal für ein Jahr in Amerika war."

Heinz Oberhummer erzählt, wie er per Autostopp durch Amerika gereist ist von New York nach San Francisco, 8000 Kilometer in einer Woche. Diese Reise hätte ihm gezeigt, dass die Welt viel größer ist als Obertauern oder Österreich. "Und es hat Dir gezeigt, dass alles möglich ist, was du möchtest", assistiert die Tochter voll der Bewunderung. Vom Bergbauernbub zum Atomphysiker. Früher wollte er Lehrer werden oder Bahnhofsvorstand, erinnert sich Oberhummer.

Die Heimat, das ist im Falle der Familie Oberhummer das einstige Bergbauerndorf Obertauern, jetzt internationales Wintersportgebiet. "Meine Verwandten sind alle ziemlich reich geworden", erzählt der Professor. "Wir sind aber in einer gewissen Hinsicht doch Außenseiter, weil wir in die Welt hinaus gegangen sind. Unser Antrieb war nie das Geld", stellt die mittlerweile erfolgreiche Geschäftsfrau fest.

Martin Puntigam (vorne), Werner Gruber (links) und Heinz Oberhummer (rechts) als Science Busters im Dienste der Wissenschaft.

Was unterscheidet die Vater-Tochter-Beziehung von der Mutter-Tochter-Beziehung? Die Vater-Tochter-Beziehung sei leichter, meint Heinz. "Für mich ist der Vater immer mein großes Vorbild gewesen, egal was er gemacht hat, und er hat auch Fehler gemacht, so wie ich auch. Mein Vater ist mein ganzer Stolz. Am Ende des Tages weiß ich, wo ich hingehöre", sagt Astrid Oberhummer spontan. "Das hast jetzt schön gesagt", meint der Vater gerührt.

Die Mutter hätte sehr darunter gelitten, weil sie als Tochter ihre Prioritäten auch immer klargemacht hätte, überlegt Astrid. "Das ist nicht angenehm für eine Mutter", wirft Heinz ein und beantwortet die Frage nach der Besonderheit ihrer Beziehung ebenfalls mit einem Bekenntnis: "Ich bewundere die Astrid grenzenlos, was die alles geschaffen hat in ihrem Leben, unglaublich! Ich frag mich immer, wie hat sie das gemacht."

Ob es nie ein Thema gewesen sei, dass die Tochter auch eine Wissenschaftslaufbahn einschlägt? "Das fragen mich viele", antwortet Astrid, "weil meine Mutter ist auch Wissenschafterin, Physikerin. Ich bin also zweimal betroffen. Aber nein, eigentlich nicht. Wir haben ja auch so das Bedürfnis zu entertainen, gute Gespräche zu führen, etwas zurückzugeben. Es gibt so viele langweilige Menschen, die nur saugen, da kommt gar nix. Und dieses Bedürfnis zu unterhalten, das haben wir schon ganz stark."

"Ich wollte immer erzählen, wie spannend Wissenschaft sein kann", gesteht Heinz Oberhummer. Seiner eigenen Tochter konnte er allerdings nicht vermitteln wie toll die Wissenschaft ist, grübelt er und kommt auf den Erfolg der Science Busters zu sprechen, über den er sich eigentlich noch immer wundert. Ein Podcast über Quantentheorie hat es an die erste Stelle der beliebtesten ORF-Podcasts gebracht. Er lacht. "Das muss man sich einmal vorstellen."

"Mich hat’s nie interessiert", gesteht Astrid. Obwohl der Vater so ein Vorbild gewesen sei, hake ich nach. "Damals, wie die Astrid jung war, hab ich das auch noch nicht so ausdrücken können", wirft der Vater ein, "da hab ich meinen Job gemacht und mich eher geplagt damit." Und Astrid erklärt ihr Desinteresse an der Wissenschaft so: "Die Mutter war Lehrerin. Mathematik, Physik, Chemie. Das war für mich ein weißer Kittel, jemand, der streng ist und lehrt - keine Motivation für mich. Ich wollte eine Kombination aus Physiotherapie und Hotel machen, auch im Luxussegment, so wie das jetzt total in ist. Damals war das kein Thema." Sie hätte damals schon erkannt, dass Luxus ein anderer Wert sein kann als goldene Wasserhähne und beschäftigte sich mit der Idee, gesundheitlich etwas Gutes für sich zu tun in einer schönen Atmosphäre, wie es mittlerweile Standard ist in der gehobenen Wellness-Hotellerie. "Aber Physik", sie schüttelt den Kopf, "nee!"

"Ist das Zufall gewesen", fragt der Vater nach, "wie es dann gekommen ist, oder wolltest Du das?"

"Es gibt keine Zufälle", ist Astrid überzeugt. "Du hast einen Traum, setzt dir einen Rahmen, ein paar Fakten und das funktioniert dann. Das sieht man ja bei Dir. Was ich mich manchmal frage ob Du Dir gewünscht hättest, dass das alles früher passiert."

"Ja schon", antwortet der Vater. "Aber so mit 60 hat eine Phase begonnen, da hat plötzlich alles funktioniert, was ich angepackt habe. Bücher, Vorlesungen, die Science Busters, alles. Jetzt bin ich 71, ich bin ein ganz guter Physiker, aber sonst... Früher hat mich niemand gekannt, heute, wenn ich in der U-Bahn fahre, winken mir 14-Jährige zu und rufen: ‚Hey Mr. Super Science Buster’. Das muss man sich vorstellen: Ein dicker Physiker, ein alter Professor und ein komischer Kabarettist stürmen die Charts." Oberhummer schüttelt den Kopf und stellt fest, dass es ein Mythos sei, dass sich die Leute nicht für Physik im Besonderen und die Wissenschaft im Allgemeinen interessierten: "Man muss es nur spannend und verständlich bringen."

Unversehens entdecken Vater und Tochter noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie seien beide Revoluzzer. Er hätte sich nie darum gekümmert, was die anderen über ihn dachten, stellt Oberhummer fest. "Man muss sich etwas trauen, muss den Koffer packen und weiterziehen, wenn etwas nicht funktioniert", sagt Astrid und erzählt, dass sie sich bei einem der exklusivsten Luxushotels der Welt in Frankfurt im Dirndl um ihren ersten Job beworben hat, den sie auch bekommen hat. "Die hatten damals einen Engpass", lacht sie.

"Das ist das Problem an Österreich", meint Heinz Oberhummer, "es ist bis in höchste Kreise kleinkariert."

Im Lauf des Gesprächs stellt sich heraus, dass der Vater keine konkrete Vorstellung davon hat, was Astrid in ihrem Beruf eigentlich macht und will Genaueres wissen. "Ich tu nur Netzwerken", meint Astrid. Die Agentur, die sie gemeinsam mit ihrem Geschäfts- und Lebenspartner Andreas Müller vor fünf Jahren als klassische Repräsentanz für Luxushotels weltweit gegründet hat, nennt sich in Anspielung an den Familiennamen Lobster-Experience, womit die persönliche Eigenart der Familie Oberhummer zur Geschäftsidee formuliert wird. "Die Leute wollen spielen und mit dem Namen ‚lobster‘ spielen sie", ist Madame Ober-lobster überzeugt.

Im Erfolgsrezept enthalten ist auch das Bedürfnis, die Menschen zum Lachen zu bringen, dazu beizutragen, dass sie Kindheit und Träume bewahren. Jung im Kopf bleiben, mit einem Wort - wobei damit eine weitere Oberhummersche Lebensmaxime enthüllt wird.

Mehr Zeit

Beide bezeichnen sich als Workaholics, weil die Arbeit ihnen so viel Spaß bereite. "Burnout entsteht ja nur", so Heinz Oberhummer, "wenn man viel arbeitet und kein Erfolgserlebnis hat." Astrid gesteht, dass sie sich manchmal fragt, ob der Vater gerne mehr Zeit für die Familie gehabt hätte. "Natürlich frag ich mich das", sagt der Vater, aber er verredet das ein bisschen und meint, man hätte für so viele Dinge im Leben keine Zeit. Auf Nachfrage bemerkt die Tochter, dass sie den Vater erst so im Alter von 20 für sich entdeckte, und der Vater gesteht, dass er sich nicht so gekümmert hätte. Wendepunkt in ihrer Beziehung sei der erste große Liebeskummer gewesen, "da war der Vater plötzlich da." "Wir sind stundelang spazieren gegangen", erinnert sich Heinz. "Die Liebe ist ja schrecklich", meint der mehrfach geschiedene Mann in einem trockenen Nebensatz.

Astrid erzählt, dass sie bei dieser Gelegenheit die Beziehung zum ersten Mal als tragfähig erlebt hätte, davor seien sie beide zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Jetzt hätte sie Angst davor, dass der Vater einmal nicht mehr da ist und sie ihn noch nicht alles gefragt hat.

"Ich finde es schon schade, dass wir uns so selten sehen", meint Vater Heinz und beide nehmen sich vor, demnächst 14 Tage gemeinsam auf Urlaub zu fahren. "Man sollte mehr daran denken, dass die Zeit das Wichtigste ist und dass sie einem nicht unbegrenzt zur Verfügung steht", philosophiert der Professor.

Das Wichtigste im Leben? Für Astrid Oberhummer ist das ihre kleine Familie, bestehend aus dem Lebens- und Geschäftspartner Andreas und einem Hund. Geld wäre ihr nicht so wichtig, dafür Anerkennung und Lob, überlegt sie und stellt fest, dass sie sich selbst wohl noch nicht gefunden hätte, auf der Suche nach ihrem eigenen inneren Ruhepol.

Hat sich Heinz Oberhummer schon gefunden? "Ja", sagt er, er glaube schon. Möglichst glücklich leben wolle er, der Freiheit über alles schätzt. "Jeder muss versuchen, für sich selbst möglichst viel Gutes und Interessantes zu tun. Ohne Vorschriften von wem auch immer. Was gut und schlecht ist, weiß schließlich jeder selbst", umreißt er seine Einstellung zum Leben.

Was macht einen guten Vater aus? "Viel mehr als ich jedenfalls", sagt Oberhummer nachdenklich. "Früher war das viel schwieriger. Ein guter Vater muss sich hineinversetzen in seine Tochter oder seinen Sohn und das ist gar nicht so leicht. Damals hat’s das noch nicht gegeben, dass die Väter eine zeitlang zuhause bei den Kindern bleiben. Ich finde das toll. Weil da bekommt man eine ganz andere Beziehung zu seinem Kind, als wenn man es nur am Abend sieht." Er ist überzeugt, dass die Väter heute viel mehr Möglichkeiten haben, sich mit den Kindern zu beschäftigen, und beendet seine Überlegungen mit einem Statement: "Es ist eigentlich ganz einfach. Einen guten Vater macht aus, wenn er sich auf das Kind einlässt, eine Beziehung aufbaut."

Astrid überlegt lange. Mehr Gemeinsames hätte sie sich gewünscht, "bei uns war immer etwas los. Ich hätte mir einmal Innehalten gewünscht. Wenn ich andere Familien sehe, die gemeinsam essen, gemeinsam shoppen..." Heinz Oberhummer unterbricht seine Tochter: "Das kann aber auch die Hölle sein..." Beide lachen herzlich.

Eines haben sie sich im Lauf des Gesprächs jedenfalls fest vorgenommen: mehr Zeit miteinander zu verbringen.

Artikel erschienen am 14. Dezember 2012 in: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 4-9.

Zur PersonAstrid Oberhummer
Astrid Oberhummer ist seit mehr als 20 Jahren als Hotelexpertin und Brancheninsider in der Luxushotellerie tätig. Mit Frégate Island Private, dem knapp drei Quadratkilometer großen, luxuriösen Inselparadies auf den Seychellen, gründete sie 1998 Unique Experiences Touristik GmbH und vermarktete und positionierte als Geschäftsführerin das Inselparadies weltweit. 2007 beschloss Astrid Oberhummer ihre eigene Firma zu gründen und so entstand Lobster Experience GmbH & Co KG.
Heinz Oberhummer
Heinz Oberhummer studierte Physik an der Karl-Franzens-Universität Graz und an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Oberhummer war Universitätsprofessor für Theoretische Physik am Atominstitut der Technischen Universität Wien. Sein Hauptforschungsgebiet waren Prozesse der Nukleosynthese. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Popularisierung wissenschaftlicher Inhalte insbesondere mit Hilfe der neuen Medien. Seit 2007 ist Oberhummer mit dem Physiker Werner Gruber und dem Kabarettisten Martin Puntigam gemeinsam Gestalter und Präsentator des Wissenschaftskabaretts Science Busters.
Er gehört zu den Initiatoren der Initiative gegen Kirchenprivilegien und ist seit Juni 2011 Obmann der Initiative Religion ist Privatsache.