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Wenn die Bakterien leuchten, besteht Vergiftungsgefahr

Von Roland Knauer

Wissen
Das neue Testverfahren wurde im vorigen Jahr mit Erfolg in Feldversuchen in Vietnam und Bangladesh erprobt. Foto: Carola Endes/Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Neue Methode wäre in Südasien und nun in Ungarn nützlich. | System soll noch viel billiger werden. | Berlin. Hinter einer Arsenvergiftung steckt in Ländern wie Indien oder Bangladesh meist kein Kriminalroman-tauglicher Meuchelmörder, auch keine Rotschlammkatastrophe wie jetzt in Ungarn, sondern ein geologischer Prozess. Wasser löst das giftige Element aus dem Gestein des Himalayas und trägt es unter bestimmten Bedingungen als Arsenit bis in die Grundwasserschichten des Flachlands.


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Da dort das Wasser an der Oberfläche oft mit Krankheitserregern kontaminiert ist, zapfen vielerorts Brunnen das Trinkwasser für die Menschen aus solchen Wasserschichten.

Welcher Brunnen aber wirklich Gefahren birgt, ist meist unbekannt, weil sich der Arsen-Gehalt bisher nur mit aufwendigen und teuren chemischen Analysen sicher bestimmen ließ. Daher sind mehr als 100 Millionen Menschen allein in Südostasien durch Arsen-Vergiftungen gefährdet. Ihnen dürfte ein preiswerter Arsentest helfen, den Hauke Harms und Mona Wells vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig gemeinsam mit Jan-Roelof van der Meer von der Universität Lausanne entwickelt haben und für den allen drei Forschern der deutsche Erwin-Schrödinger-Preis 2010 verliehen wurde.

Große Mengen Arsen sind für viele Organismen giftig, da der Organismus Arsenverbindungen mit dem lebensnotwendigen Phosphat verwechselt. In den Zellen stört Arsen dann den Energiestoffwechsel, Transportvorgänge und die Reparatur des Erbgutes. Manche Organismen wie bestimmte Stämme des Bakteriums Escherichia coli aber haben gelernt, mit Arsen-Vergiftungen umzugehen: Sie verwandeln die giftige Verbindung in eine andere Form und schleusen sie dann einfach wieder aus. Zuständig für diese Arsen-Resistenz ist eine Erbeigenschaft, die für die Entwicklung eines Tests genutzt werden kann.

Vor diesem Arsen-Resistenz-Gen sitzt eine Art Schalter, der von einem Eiweiß in die Aus-Stellung gedrückt wird. Gelangen Arsenverbindungen ins Bakterium, entfernen sie dieses Eiweiß, der Schalter springt auf die An-Stellung und aktiviert die Erbinformation. In die Nähe dieses Arsen-Schalters haben Jan-Roelof van der Meer und seine Mitarbeiter mit molekularbiologischen Methoden eine andere Erbeigenschaft gesetzt, die nun angeschaltet wird, sobald Arsen in der Zelle auftaucht. Dabei handelt es sich um ein Lumineszenz-Gen, das zum Beispiel die Leuchtorgane von Fischen durch eine biochemische Reaktion aktiviert. Genau wie in diesen Tieren entsteht nun auch im Bakterium ein Protein, das Licht ausstrahlt. Je mehr Arsen diese Mikroorganismen aufnehmen, umso intensiver wird dieses Licht.

Laien können diese Bakterien nur dann für einen einfachen Arsentest nutzen, wenn sie ein einfaches Testsystem in die Hand bekommen. Das haben die UFZ-Forscher Hauke Harms und Mona Wells entwickelt: Zunächst werden die Bakterien gefriergetrocknet und können so in kleinen Teströhrchen problemlos längere Zeit aufbewahrt werden. Man füllt dann einfach ein wenig Wasser aus einem verdächtigen Brunnen in das Röhrchen und weckt so die Bakterien aus ihrem Winterschlaf.

In Zukunft: Teststreifen

Nach zwei Stunden arbeiten die Mikroorganismen auf Hochtouren und der Tester schiebt das Röhrchen in ein Luminometer, das die Größe eines Festnetz-Telefons hat und in zehn Sekunden die Lichtstärke misst. Je stärker die Bakterien leuchten, umso mehr Arsen ist im Wasser - nach diesem Prinzip bestimmt das System inzwischen die Konzentration des giftigen Elements genauer als chemische Tests.

"Ein bis zwei Euro kostet ein Arsentest, wenn wir die Teströhrchen im Labor herstellen", berichtet Hauke Harms. In Zukunft soll ein eigens für diesen Zweck gegründetes Unternehmen die Teströhrchen noch billiger werden lassen. Dann können auch in armen Ländern wie Bangladesh die Brunnen preiswert auf Arsen getestet werden. Inzwischen arbeitet Hauke Harms längst an einer weiteren Verbesserung, die das System noch einmal deutlich preiswerter macht: Langfristig sollen Teststreifen ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest zuverlässige und billige Ergebnisse bringen.