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Wenn die Erde bebt, leuchtet der Himmel

Von Edwin Baumgartner

Wissen
Möglicherweise handelt es sich bei dieser Aufnahme um ein Erdbebenlicht. Es wurde in New Mexico einige Tage vor dem Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan aufgenommen, das sich am 12. Mai 2008 ereignete.
© wikipedia/Dough Aghassi

Die elektrische Aufladung der Luft könnte ein Leuchtphänomen bewirken.


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Québec. Berichte davon gibt’s seit der Antike, aber sie wurden als esoterische Spinnerei abgetan. Dass die Sache dann, neben dem Bermuda-Dreieck und dem Poltergeist von Enfield, in Büchern landete, die im Titel oder Untertitel "Unheimliche Phänomene" führen, war eher kontraproduktiv. Dann merkten die Wissenschafter aber, dass da doch mehr dran sein könnte. Jetzt will ein Geowissenschafter-Team um Robert Thériault vom Ministerium für natürliche Ressourcen der kanadischen Provinz Québec herausfinden, was es genau mit diesem Phänomen der Erdbebenlichter auf sich hat, berichtet die Zeitschrift "Seismological Research Letters".

Die Wissenschafter werteten 65 Fälle von Erdbebenlichtern seit dem Jahr 1600 aus, die seriös belegt sind. Eines davon ist sogar filmisch dokumentiert: 2007 nahm eine Überwachungskamera während eines Erdbebens der Stärke 8,0 in der peruanischen Hafenstadt Pisco mehrere Lichtblitze auf. Bei den 65 Erdbeben, die von den Forschern ausgewertet wurden, tauchten die Lichter fast immer vor oder während der Erdstöße auf, nur sehr selten danach.

Die Lichter sehen unterschiedlich aus, es gibt Beschreibungen von punktförmigen Leuchtphänomenen über blitzartige bis hin zu den Himmel erleuchtende Lichtkugeln. Thériault und sein Team vermuten, dass die Phänomene entstehen, indem die einem Erdbeben vorausgehende mechanische Spannung eine elektrische Ladung aufbaut, die entlang steiler Brüche in den Erdplatten an die Oberfläche steigt und dort Luftmoleküle auflädt, die in der Folge zu leuchten beginnen. An den Rändern der Kontinentalplatten wären die Brüche nicht steil genug, da sich die Platten ja übereinander schieben. Das würde erklären, weshalb die Erdbebenlichter fast ausschließlich auf den Innenzonen der Kontinentalplatten auftreten. Keine Erklärung hat Thériault, weshalb die Lichter mitunter tausende Kilometer entfernt vom Epizentrum auftreten. Nichtsdestoweniger hofft er, sie irgendwann für ein Erdbeben-Warnsystem nützen zu können.

Torsten Dahm vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam hingegen bleibt skeptisch: Er hält die 65 untersuchten Fälle für zu wenig, um daraus etwas ableiten zu können. Und das in der Studie vorkommende Ebinger Beben von 1911 sei auch nicht aussagekräftig: In der Region habe es 1943 und 1978 ebenso starke Erdstöße gegeben - und zwar ganz ohne begleitende Lichtphänomene.