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Der deutsche Psychiater und Neurologe Alois Alzheimer beschrieb 1907 erstmals eine degenerative Krankheit des menschlichen Gehirnes, dessen Leistungsvermögen wie Denken und Sprechen im Verlauf der Erkrankung immer geringer wird. In Österreich leiden gegenwärtig knapp 100.000 Menschen daran. Durch die zunehmende Lebenserwartung ist damit zu rechnen, dass sich die Anzahl der Patienten, die an "Morbus Alzheimer" erkranken, bis 2050 verdoppelt.
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Eine ältere Dame mit grau meliertem Haar sitzt in der Straßenbahn, sie blickt gedankenverloren aus dem Fenster. Manchmal dreht sie sich auch um und beobachtet die anderen Fahrgäste. Bei keiner der Haltestellen steigt sie aus und fährt bis zur Endstation. Die Garnitur hält dort ungefähr eine Viertelstunde, ehe sie weiterfährt. Die Frau fährt noch einige Male die Strecke, ehe der Straßenbahnzug beim Betriebsbahnhof eingezogen wird.
"Sie können leider nicht mehr weiterfahren, der Zug fährt in die Remise, Sie müssen aussteigen", sagt der Fahrer. "Es tut mir leid, aber ich weiß jetzt gar nicht mehr, wie ich nach Hause komme." Sie beginnt in den Taschen ihres Mantels zu kramen und hält dem erstaunten Straßenbahner ein Notizbuch unter die Nase. "Da ist die Telefonnummer meiner Tochter enthalten, könnten Sie bitte bei ihr anrufen, dass sie mich holen kommt," bittet die Dame lächelnd. "Meine Tochter heißt Elisabeth", erzählt sie dem Bediensteten der Wiener Linien, als sie in das Büro des Betriebsleiters der Remise gelangen und von dort aus die Tochter der älteren Frau verständigen. Nach einer halben Stunde kommt sie zum Betriebsbahnhof und schließt ihre Mutter in die Arme.
Der Anfang wird kaum wahrgenommen
Der Anfang dieser Krankheit wird von den Angehörigen eines Betroffenen ebenso wie von diesem selbst kaum wahrgenommen. Erschwertes Denken, Erinnerungslücken und in manchen Lebenssituationen eine leichte Verwirrtheit, kennzeichnen das Frühstadium des Leidens. Mit der Zeit treten auch Sprachschwierigkeiten auf, die Beziehungen zu Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden werden immer schwieriger. Alltägliche Tätigkeiten, die bisher nie ein Problem darstellten, wie Waschen, Ankleiden, oder der Gang auf die Toilette werden immer mehr zu einem Problem, und letzten Endes kann der Alltag nur mehr mit Hilfe eines Angehörigen bewältigt werden.
Die Pflege eines an der Alzheimer-Krankheit leidenden Familienmitgliedes kostet viel Geduld, Hingabe, Verständnis und bedingt oft eine gänzliche Umstellung der Lebensgewohnheiten, insbesondere wenn der Ehepartner davon betroffen ist. Für den Pflegenden ist es wichtig, sich auf die mit der Zeit verändernde Persönlichkeit des Erkrankten einzustellen. Das Vergessen von Gesprächsinhalten oder Erlebnissen, die vor kurzer Zeit stattgefunden haben, sind oft der Beginn dieses Leidens. In dieser Phase ist es wichtig die zu betreuende Person mit Gesprächen zu den vergessenen Inhalten und Erlebnissen zurückzuführen. Wesentlich ist dabei, sich auf ein oder zwei Themen zu konzentrieren, wobei man darauf achten sollte weniger Fragen zu stellen, als Sätze aus dem Gesprächsthema zu wiederholen und langsam und sehr deutlich zusprechen.
Es ist am Anfang durchaus gewöhnungsbedürftig, wenn der Patient nach kurzer Zeit immer die selben Fragen stellt oder schon bereits öfter vorgetragene Geschichten aus seinem Leben zum Besten gibt. Die weitere Entwicklung der Krankheit lässt bei den Betroffenen jegliches Zeitgefühl verschwinden.
In dieser Phase der Krankheit ist es für die Angehörigen und besonders für die direkte Bezugsperson des kranken Menschen sehr wichtig ihm Hilfestellungen anzubieten. Wenn die ältere Dame oder der ältere Herr öfter nach der Uhrzeit fragt, wäre es wichtig diesem nicht nur die Uhrzeit mitzuteilen, sondern dies mit den Höhepunkten seines Tagesablaufs zu verbinden. Beispielsweise: "Es ist jetzt 17 Uhr. Wir werden jetzt Abendessen !" In diesem Stadium des Leidens ist das Haus in dem der Patient lebt, diesem noch geläufig. Erst bei Reisen, Ausflügen oder auch bei Spaziergängen in Gegenden, die dem älteren Menschen nicht mehr bekannt sind, obwohl er vielleicht schon einige Male dort gewesen ist, lassen sich Orientierungsschwierigkeiten und die damit verbundene Unsicherheit erkennen. Bei Spaziergängen oder Ausflügen sollte daher von der Begleitperson auf markante Orte hingewiesen werden, wie: "Kennst du noch das Feinkostgeschäft, in dem dich die Frau Mayer immer so nett bediente?
Orientierungshilfe ist wichtig
Da mit dem Verlauf der Krankheit auch die Orientierungsfähigkeit des Alzheimer-Patienten in den eigenen vier Wänden mehr und mehr nachlässt, wäre es für ihn wichtig, gewisse Räume in der Wohnung zu kennzeichnen. Beispielsweise ist es hilfreich, an die Badezimmertür ein Bild mit einer Badewanne aufzukleben. Mit fortschreitender Erkrankung wird es für den Betroffenen auch immer schwieriger, sich auszudrücken. Die Suche nach Wörtern, um einen bestimmten Wunsch oder Bedürfnis mitzuteilen, wird immer schwieriger. Dabei kommt es oft vor, dass Ehepartner oder Kinder die Geduld verlieren. Verzweiflung, aber auch Verständnislosigkeit und Zorn sind dann die Reaktionen der älteren Herrschaften, die an dieser heimtückischen Krankheit leiden.
In einem späteren Stadium wird der Sinn gesprochener Worte von den betroffenen Patienten nicht mehr verstanden. Als betreuender Angehöriger ist es in diesem Stadium besonders wichtig, sich eine Art Körpersprache anzueignen, um mit Hilfe der Gestik, der Gesichtszüge und der Körperhaltung eine Form der Kommunikation zu ermöglichen. Wenn man einem älteren Menschen in dieser Phase der Krankheit freundlich in die Augen schaut und dessen Hand hält, fühlt er sich geborgen und hat nicht das Gefühl, allein gelassen zu sein.
Auch die Angehörigen brauchen Hilfe
Die Angehörigen von an Alzheimer erkrankten Personen, besonders die Ehepartner, die den Erkrankten rund um die Uhr betreuen, leiden an Erschöpfung, an Depressionen und brauchen oft Hilfestellung in Form von Gesprächsrunden mit Therapeuten und Fachärzten. Auch ein Meinungsaustausch mit anderen Betroffenen ist für sie sehr wichtig.
Die Vereinigung "Alzheimer Angehörige Austria" ist eine Organisation, die sich um die Betreuung der Angehörigen der Patienten kümmert. "Die Organisation wurde 1990 von Elisabeth Pammer gegründet, die damals ihren kranken Mann pflegte. Sie wurde von Univ.-Prof. Dr. Schnabert, vom neurologischen Krankenhaus am Rosenhügel in medizinisch-therapeutischer Hinsicht und finanziell vom Heilmittelkonzern Sandoz unterstützt. "Sie haben die Gründung der Gruppe ermöglicht," beschreibt die Leiterin der Selbsthilfegruppe, Antonia Croy, die Entwicklung dieser Einrichtung.
"Am Anfang hatten wir wenig Mitglieder, es waren nicht mehr als 10 maximal 20 Leute, heute sind es über 1000 Mitglieder in ganz Österreich. Das sind nur die Angehörigen, sowie Ärzte und Pflegepersonal. In Österreich gibt es etwa 100.000 an Alzheimer erkrankte Personen, führt Antonia Croy weiter aus. "Alzheimer ist keine psychische Krankheit, sondern eine organische Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn abgebaut werden. Das Gedächtnis ist davon stark betroffen, was wiederum zu einer immer stärkeren Einschränkung der alltagspraktischen Tätigkeiten der erkrankten Menschen führt.
Den Angehörigen fällt zuerst auf, dass die Merk- und Erinnerungsfähigkeit rapide nachlässt und das gemeinsam mit dieser Entwicklung sich auch die Persönlichkeit des Patienten verändert. Die Betroffenen ziehen sich zurück, man nennt dies "sozialen Rückzug", weil die Kranken selber merken, das irgendetwas nicht stimmt," erläutert die Repräsentantin von "Alzheimer Angehörige Austria", die Entwicklung dieses Leidens. "Im Alltag funktionieren bei den Erkrankten gewisse Dinge nicht mehr so gut. Frauen beherrschen das Kochen nicht mehr, sie wissen oft nicht, was sie einkaufen sollen, oder wie man eine Mahlzeit zusammenstellt. Auch die Erledigung von Bank- und Amtswegen fallen Alzheimer-Patienten mit der Zeit immer schwerer. Ebenso kann auch das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel zum Problem werden, wenn die Betroffenen bereits Schwierigkeiten mit der Orientierung haben, erklärt Antonia Croy die Anzeichen der Krankheit, die für die Angehörigen auffallend sind.
In dieser Phase wäre es wichtig, den älteren Menschen zu einer gründlichen Untersuchung zu bewegen, obwohl dies nicht immer leicht ist. Eine genaue Diagnose hängt davon auf jeden Fall ab. "Die Angehörigen, oft sind es die Ehepartner, müssen mit der Situation fertig werden, das der Kranke seine Persönlichkeit immer mehr verliert. Des Weiteren müssen sie Aufgaben übernehmen die für den Patienten nicht mehr ausführbar sind. Das heißt das Ehemänner dann den Haushalt weiter führen müssen und zu Tätigkeiten, wie Waschen, Bügeln und Kochen herangezogen werden. Die meisten Angehörigen von Alzheimer-Patienten kommen alleine zu uns, weil sie sich vieles von der Seele reden möchten und nicht wollen, wenn der Betroffene dabei ist," berichtet Croy.
Therapie-Gruppe für die Kranken
Das gegenwärtige Ziel der Angehörigen-Gruppe ist der Aufbau einer Gesprächs- und Therapie-Gruppe für die Kranken. Antonia Croy leitet derzeit zwei kleine Gruppen, eine im Sozialmedizinischen Zentrum Ost und die andere in ihrer Praxis. Die Therapie besteht aus Gedächtnistraining sowie Gesprächsrunden. Es gibt Patienten, die bei Antonia Croy auch ein Einzeltraining in Anspruch nehmen. Dafür hat sie in Deutschland eine spezielle Ausbildung absolviert.
"Den Patienten hilft dies sehr, da sie oft niemanden haben, mit dem sie sprechen können. Mit den nächsten Angehörigen funktioniert das nicht gut, weil die Betroffenen ohnehin das Gefühl haben für ihre nähere Umgebung eine Last zu sein. Manchmal ärgern sich die Kranken auch über ihre sie pflegenden Partner oder Familienmitglieder, weil die natürlich oft ungeduldig werden, oder sie anschreien - ja einfach die Nerven verlieren. Weil deren Tätigkeit sehr aufreibend ist - seelisch wie körperlich - brauchen sie eben auch eine Möglichkeit der Aussprache, die wir den Angehörigen anbieten," analysiert die Therapeutin den Alltag mit einem an Alzheimer erkrankten Familienmitglied.
Die größte seelische Belastung ist die Persönlichkeitsveränderung. "Man hat lange mit einem Menschen zusammengelebt, den man glaubte, gut zu kennen und plötzlich verändert sich der und wird einem fremd. Wir sagen immer, es ist so ein langsamer Abschied," berichtet Antonia Croy aufgrund jahrelanger Erfahrungen. Doch ein Lächeln, eine Umarmung oder auch nur ein Händedruck kann für einen Alzheimer-Patienten der einzige Kontakt in eine Welt sein, in der er gelebt hat und die ihm vertraut war.
Information und Kontakt: Alzheimer Angehörige Austria, Antonia Croy, Obere Augartenstraße 26-28, A-1020 Wien, Tel+Fax: 01/332-51-66