Zum Hauptinhalt springen

Wenn die Ermittler klingeln

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Im Ernstfall sind Krisenkommunikation und rechtskonformes Vorgehen gefragt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Das Schnupperseminar beginnt mit einer auf das Flipchart geschriebenen, sonderbaren Ziffernfolge: 192050. Das nennt man wohl Spannungsaufbau. Die Auflösung kommt bald und in Form dreier Buchstaben: ONR. Eingeweihte wissen um deren Bedeutung, es handelt sich um eine Önorm-Regel, und besondere Auskenner wissen auch die präzise Chiffre zu deuten. Es ist eine seit Februar gültige, normierte Leitlinie für Compliance-Management-Systeme, die wohl in einem direkten Zusammenhang mit dem seit Jahresbeginn in Kraft getretenen, neuen Antikorruptionsgesetz zu sehen sind.

"Compliance ist enorm wichtig", sagt Martin Voill, Senior Partner der Kommunikationsagentur Bettertogether, der jahrelang in der ZiB-Redaktion des ORF tätig war. Er bietet unter dem Titel "Morning Raid" sehr spezifische Seminare an, die sich vor allem an internationale Konzerne richten, die in Österreich Niederlassungen besitzen. Er schult die Unternehmen im richtigen Verhalten im Fall einer Hausdurchsuchung. Kann ja immer einmal passieren. Bisweilen reicht bereits eine Anzeige eines Außenstehenden oder auch das Fehlverhalten einer einzigen Person in einem riesigen Konzern.

"Der Idealfall ist, präventiv vorzubereiten", sagt auch Verena Nowotny, Partnerin der Agentur Gaisberg Consulting, die sich auf Krisenkommunikation und Litigation-PR, also Öffentlichkeitsarbeit bei Rechtsstreitigkeiten, spezialisiert hat. Zwischen diesen beiden Disziplinen sieht Nowotny auch Trainings für Hausdurchsuchungen angesiedelt. Zwar bietet Gaisberg Consulting genau solche Trainings nicht an, doch Nowotny sagt: "Im Bereich Krisenkommunikation haben sich Trainings bewährt, etwa für den Fall eines Hackerangriffs mit Datenverlust oder eines Betriebsausfalls."

Und selbst wenn der Ernstfall nie eintreten sollte, können derartige Übungen für Unternehmen einen Mehrwert bieten. "Wenn man so ein Szenario durchspielt, dann zeigt das relativ gut, wo es Schwachstellen gibt, wo die interne Kommunikation nicht funktioniert", betont Nowotny. "Es scheitert oft an banalen Dingen."

Kosten und Imageschaden, wenn die Ermittler kommen

Für den Schnupperkurs von Bettertogether haben sich am Dienstag rund zehn interessierte Unternehmer und/oder Manager - sie haben sich Anonymität zusichern lassen - Zeit genommen, um sich einen ersten Einblick in das Thema Hausdurchsuchung zu verschaffen. Denn die kommt, wenn sie kommt, ungeplant, womöglich ausgerechnet dann, wenn es massive Schwierigkeiten und Kosten bedeutet, wenn der Betrieb für Stunden stillsteht.

"Es ist klar, dass so etwas jedes Mal eine enorme betriebliche und psychische Belastung ist. Es ist ein massives Eindringen in einen geschützten Raum", sagt Nowotny von Gaisberg Consulting. Außerdem ist die Furcht vor einem Reputationsschaden groß. "Es geht auch darum, diesen Schaden gering zu halten", sagt der Vortragende Martin Voill.

Dazu kommt, dass Ermittlungen gegen Unternehmen auch mit einem Imageschaden einhergehen können, und so kann ein falsches betriebliches Verhalten den Schaden noch deutlich erhöhen. Es gehe nicht darum, eine Strafe abzuwenden, erklärt Voill, die Konzerne seien in erster Linie bestrebt, rechtskonform zu handeln und ja keine Angriffsfläche zu bieten.

Ein falscher Anruf kann Situation eskalieren lassen

Voill nennt die gravierendsten Fehler, die gemacht werden können: "Keine Kopien von Akten gemacht; nicht wissen, was man hergegeben hat; ein brüskes, unkooperatives Verhalten, und es trägt auch zur Eskalation bei, zu viel Zeit verstreichen zu lassen." Ein sogenannter "Morning Raid" ist jedenfalls eine Stresssituation, selbst wenn der Verdacht unbegründet sein wollte. Doch unter Stress passieren eben Fehler, und so kann etwa ein gut gemeinter Anruf des Empfangs beim Geschäftsführer als Warnung vor den Behörden verstanden werden.

"Doch vielleicht sind Sie auch selbst schuld", sagt Voill in Richtung der Schnupperkursteilnehmer. Doch gerade in großen Konzernen ist es schwierig bis unmöglich geworden, jeden einzelnen Abteilungsleiter, jede Tochtergesellschaft vollständig und immer zu kontrollieren. Zudem gibt es zwischen Recht und Unrecht auch einen verschwommenen Graubereich. Als der Vortragende davon spricht, dass "man ja auch nicht überall einen Juristen sitzen haben kann", nickt ein Seminarteilnehmer wissend.

Die Trainings werden direkt in den Betrieben veranstaltet und auf diese speziell zugeschnitten, da sich die Strukturen der Unternehmen teilweise stark unterscheiden. Rund zwei Wochen Vorbereitungszeit benötigt Voill mit seinem Team, darunter auch zwei Anwälte, die Trainings selbst dauern dann in der Regel einen ganzen Tag und beanspruchen zahlreiche Entscheidungsträger.

In einer kurzen, szenischen Darstellung einer Hausdurchsuchung wird den Teilnehmern des Schnupperseminars gezeigt, was sie im Training dann erwarten wird, sogar ein Muster-Durchsuchungsbefehl wird ausgeteilt, und gegen diesen Schrieb des Schreckens ist jeder Unternehmer machtlos. "Beschwerden sind wirkungslos", sagt Voill. Und wieder quittiert ein Zuhörer dies mit einem wissenden Nicken.