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Wenn die Geier kreisen

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Ein neues Urteil zugunsten zweier US-Hedgefonds könnte Argentinien erneut in die Staatspleite treiben.


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Buenos Aires. Es waren gute Nachrichten, die vor knapp zwei Wochen aus Argentinien kamen, sowohl für das Land selbst wie vermutlich auch für die meisten der Gläubiger. Nach mehr als zehn Jahren, die von zerfahrenen Verhandlungen geprägt waren, einigte sich die Regierung von Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner mit den im Pariser Club zusammengeschlossenen Ländern auf die Rückzahlung jener 9,7 Milliarden Dollar, mit denen die Südamerikaner bei den Industriestaaten in der Kreide stehen. Die staatlichen Gläubiger sollen damit binnen fünf Jahren das Geld zurückbekommen, auf das sie seit der katastrophalen argentinischen Staatspleite im Jahr 2001 warten. Argentinien selbst verschaffte sich durch deutlich günstigere Rückzahlungskonditionen scheinbar wieder etwas Luft.

Doch von guten Nachrichten spricht mittlerweile niemand mehr, seit der Nacht auf Dienstag steht Argentinien das Wasser wieder bis zum Hals. Verantwortlich dafür ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshof der USA. Dieser hatte eine Beschwerde der argentinischen Regierung gegen ein Urteil aus niedriger Instanz zurückgewiesen, das Buenos Aires zu einer Zahlung von mindestens 1,3 Milliarden Dollar an zwei US-Hedgefonds verpflichtet. NML Capital und Aurelius Capital Management hatten sich nicht an den beiden Schuldenschnitten 2005 und 2010 beteiligt und verlangen eine vollständige Auszahlung ihrer nach US-Recht begebenen Bonds plus Zinsen. Dass sie dabei bereit sind, aufs Ganze zu gehen, hatten die Hedgefonds bereits vor zwei Jahren bewiesen. Damals ließ NML-Capital-Chef Paul Singer, der als einer der erfolgreichsten und auch hartnäckigsten Spekulanten der Finanzwelt gilt, das argentinische Marineschiff "Libertad" in Ghana mehrere Monate lang festsetzen.

Das Problem sind allerdings nicht die 1,3 Milliarden Dollar, die die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas trotz der noch immer nur zögerlich anspringenden Konjunktur wohl aufbringen könnte. Vielmehr hängt an der Entscheidung der US-Justiz ein ganzer Rattenschwanz an Folgen. Denn wenn sich Argentinien so wie bisher weigert, seine Schulden bei den Hedgefonds zu bezahlen, könnte das Gericht auch die Überweisungen an jene 93 Prozent der ausländischen Gläubiger stoppen, die damals in die Umschuldungsangebote eingewilligt hatten. Der damit praktisch zwangsweise eingestellte Schuldendienst könnte Argentinien gefährlich nahe an eine neuerliche Staatspleite heranführen, denn die entsprechende Zahlungsfrist endet bereits am 30. Juni.

Kirchner befürchtet zudem, dass eine Begleichung der Schulden bei den beiden Hedgefonds auch andere Gläubiger auf den Plan rufen würde, die nicht dem Schuldenschnitt zugestimmt hatten. Dabei könnte es um Forderungen von bis zu 15 Milliarden Dollar gehen, und so viel Geld kann Argentinien auf keinen Fall für den Schuldendienst lockermachen. Kratzt man alles zusammen, verfügt das Land derzeit gerade noch über 28 Milliarden Dollar an Devisenreserven. An der Börse in Buenos Aires rasselten die Kurse bereits um zehn Prozent nach unten, die Kosten für Kreditausfallversicherungen (CDS) schnellten in die Höhe.

"Lassen uns nicht erpressen"

In einer landesweit übertragenen Fernsehansprache versuchte die Präsidentin, zumindest die Sorgen vor einer neuerlichen Staatspleite zu dämpfen. Argentinien stehe nicht vor der Zahlungsunfähigkeit, sagte Kirchner. Jene Gläubiger, die dem Schuldenschnitt zugestimmt hatten, würden auch weiterhin ihr Geld bekommen. Gleichzeitig machte sie aber auch klar, dass sich das Land nicht von einigen wenigen Investoren erpressen lassen könne. Die Hedgefonds bezeichnete Kirchner dabei wörtlich als "Geier", die argentinische Staatsanleihen während der Krise zu Spottpreisen gekauft hätten und nun eine Rückzahlung in voller Höhe des Nennwertes forderten. Allein NML Capital würde dadurch einen Profit in der 17-fachen Höhe einstreifen.

Dass die Hedgefonds klein beigeben, scheint aber nicht nur wegen der bereits in der Vergangenheit an den Tag gelegten aggressiven Strategie wenig wahrscheinlich. Denn die US-Richter haben auch entschieden, dass KLM und Aurelius Argentinien dazu zwingen können, seine weltweit vorhandenen Vermögenswerte offenzulegen. Die versuchte Pfändung der "Libertad" vor zwei Jahren in Ghana könnte also erst der Anfang gewesen sein.