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Luxemburg ist das reichste Land der EU. Doch das Großherzogtum steht vor großen finanziellen Herausforderungen.
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Luxemburg. Die Luxemburger sind sehr geduldig, das sagen die Luxemburger zumindest über sich selbst. Als reichstes Land in der Europäischen Union kann man sich auch eine gewisse Gelassenheit leisten. Die Wirtschaft wächst in diesem Jahr um etwa 2,7 Prozent. Dem aktuellen Wettbewerbsbericht des Schweizer Instituts IMD zufolge hat sich das Großherzogtum im Vergleich zu 59 anderen Ländern um zwei Punkte auf Platz elf verbessern können. Gemessen an anderen EU-Mitgliedsstaaten ist auch die Staatsverschuldung mit 24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eher gering. In Österreich liegt der Wert bei 79 Prozent.
Dennoch, auch in Luxemburg muss gespart werden. Versuche in diese Richtung wurden bereits von der vorigen konservativen Regierung unter dem damaligen christdemokratischen Premier Jean-Claude Juncker unternommen, gekürzt wurde vor allem bei den Pensionen und der Studienbeihilfe. Wirklich greifen wird die Pensionsreform jedoch erst in Jahrzehnten.
Laut dem Stabilitäts- und Wachstumsprogramm der aktuellen Regierung, die bis 2018 regieren soll, will auch sie "die Bemühungen ihrer Vorgänger im Bereich der Renten weiterführen". In welcher Form, ist noch unklar. Auch weitere Sparmaßnahmen bei den Studierenden sind geplant.
Einbruch im E-Commerce
Doch die richtig großen Brocken stehen der Regierungskoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen noch bevor. Ab 1. Jänner 2015 wird die neue EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in Kraft treten. Ab dann wird die Mehrwertsteuer beim elektronischen Handel, für kommerzielle Kommunikation und elektronische Verträge im Land des Endkunden eingehoben werden. Damit fällt Luxemburg um einen nicht unwesentlichen Teil seiner Einnahmen um.
Viele international führende Online-Unternehmen wie Ebay, Amazon und iTunes haben seit Jahren ihre Headquarter im Großherzogtum, das die Unternehmen mit rekordniedrigen Steuersätzen lockt. So müssen für E-Books etwa nur drei Prozent Mehrwertsteuer abgeführt wird. Mit der Einführung der neuen EU-Richtlinie gehen dem Staat aber nicht nur Einnahmen verloren, Luxemburg büßt auch als Unternehmensstandort an Attraktivität ein. Länder, die aufgrund ihrer hohen Steuersätze bisher für Outsourcing nicht attraktiv genug waren, wittern nun ihre Chance. Vor allem Großbritannien, das 20 Prozent Umsatzsteuer einhebt und innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums zu den größten Konkurrenten Luxemburgs zählt, rechnet ab 2015 mit hohen Zugewinnen. Auch die Niederlande (21 Prozent Umsatzsteuer) könnten profitieren. Der Online-Videodienst Netflix hat dorthin vor kurzem eine bisher in Luxemburg angesiedelte Europazentrale verlegt. Ob und wie viele Unternehmen diesem Beispiel folgen werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Luxemburg will zwar weiterhin an den bestehenden Umsatzsteuersätzen, die in den meisten Bereichen bei 15 Prozent liegen, festhalten, doch um die im E-Commerce-Bereich entstehenden Einbußen und die bereits vorhandenen Staatsschulden von über elf Milliarden Euro aufzuwiegen, will die Regierung unter Premierminister Xavier Bettel (DP) die Mehrwertsteuer von 15 auf 17 Prozent anheben. Dies wird steigende Preise beim Sprit und beim Einkaufen zur Folge haben, was vor allem die Bevölkerung zu spüren bekommen wird, von der heute mehr als sieben Prozent ohne Job sind. Laut Bericht des Finanzministeriums ist mit einem Rückgang der Arbeitslosenrate vor 2016 nicht zu rechnen.
Bankgeheimnis fällt
Immerhin kann sich das 537.000 Einwohner zählende Land auf seinen starken Bankensektor stützen, der in den 1970er Jahren die Stahlindustrie als wirtschaftsdominierende Kraft abgelöst hat. Luxemburg ist der größte Standort für Investmentfonds in Europa. Knapp 150 Banken haben sich im 2586 Quadratkilometer großen Land niedergelassen, 37 davon sind deutscher Provenienz. Deutsche, Belgier und Franzosen machen ein Viertel aller Privatbankkunden aus. 41 Prozent der Privatkunden besitzen mehr als 20 Millionen Euro. Mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs wird sich auch ihre Zahl bald verringern. Lange Zeit hat man gemeinsam mit Österreich versucht, am Bankgeheimnis festzuhalten. Auch um die Großen außerhalb der EU in die Pflicht zu nehmen, wie von Juncker oft angedeutet wurde. Laut einer Studie des Luxemburger Statistikportals Statec wird die Einführung des Automatischen Informationsaustausches (AIA) innerhalb der EU gravierende Folgen für den Finanzstandort Luxemburg haben. So werden mindestens 800 Arbeitsplätze verloren gehen, die Wertschöpfung des gesamten Finanzsektors dürften um fünf bis zehn Prozent zurückgehen.
Wenn die bisher so zuverlässigen Geldhähne langsam zurückgedreht werden, dann muss nach einer neuen Quelle gesucht werden. Eine innerhalb Europas zu finden, wird schwierig, das große Geld liegt außerhalb. "Die luxemburgische Regierung ist sehr für ein Freihandelsabkommen", bestätigte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) erst vor ein paar Wochen. Jean-Claude Juncker fand bei einer Veranstaltung seiner Partei noch direktere Worte: "Ich will dieses Abkommen!"
Diese Reise wurde durch das EU-Projekt Eurotours ermöglicht.