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Auf der Bühne geht es um das Gute, Wahre und Schöne, um das große Weltdrama. Und hinter der Bühne? - Wie jetzt aus einem offenen Brief des Burg-Ensembles hervorgeht, herrschte während der Intendanz von Matthias Hartmann eine "Atmosphäre der Angst und Verunsicherung". Sexistische, homophobe und rassistische Bemerkungen gehörten offenbar zur Tagesordnung, es kam zu Demütigungen, Drohungen und Beleidigungen.Der Kontrast zwischen Anspruch auf Wahrhaftigkeit auf der Bühne und tatsächlichen Arbeitsbedingungen hinter der Bühne könnte größer nicht sein. Warum wurde so lange geschwiegen? Weggesehen? Mitgemacht? Erschwerend kam wohl dazu: Bei wem soll man auch Klage erheben, wenn der inszenierende Chef das eigentliche Problem ist? Schließlich war er zugleich Herr über die Engagements. Und 13 Inszenierungen in fünf Jahren hat Hartmann obendrein bei sich selbst in Auftrag gegeben. Fast scheint es, als könnten sich, unter dem Deckmantel vermeintlicher Genialität, despotische Regisseure auf Rituale der Nachsicht verlassen. Dabei ist der Geniekult längst durchlöchert. Gewiss muss man unterscheiden zwischen strafrechtlich relevanten Verbrechen, wie im Fall Weinstein, und verbalen Übergriffen, wie sie offenbar unter Hartmann passiert sind. Aber der Geist, aus dem sich solch ein Verhalten speist, ist derselbe: Das strukturell-patriarchale Machtgefälle und der Hang zur Selbstherrlichkeit können zu Machtmissbrauch führen. Darüber öffentlich und offen zu reden, ist wichtig. Noch wichtiger aber wäre unmittelbare Solidarität, wenn das nächste Mal eine Belästigung geschieht.