SPÖ startete Onlinebefragung ihrer Mitglieder zur Asylpolitik.
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Wien. "Hört mit dem Obergrenzen-Gerede auf." - Ein Wunsch von SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach, den er im Fragebogen der SPÖ auch klar formuliert habe, wie er auf Twitter vermeldete.
Die Flüchtlingsfrage hat schon tiefe Risse innerhalb der SPÖ zum Vorschein gebracht. Man denke nur an das Bemühen der Bundespartei gegenüber der SPÖ-Wien, die Obergrenzen in der Asylvereinbarung mit der ÖVP wegzureden und anstatt dessen den Ausdruck Richtwert - auf den man sich mit der ÖVP geeinigt habe, wie es hieß - zu verwenden. Nur hat SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann Tage später den Richtwert wieder relativiert, indem er meinte, dass der 37.501. Asylwerber seinen Antrag dann eben nicht mehr in Österreich werde stellen können. Faymann, der in der Flüchtlingsthematik bisher im Gleichklang mit der deutschen CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel geschritten ist, scheint nun auch den Rückzug Merkels mitzuvollziehen. Dort hat nämlich die Kanzlerin mittlerweile den Schutzsuchenden mitgeteilt, dass sie nur einen vorübergehenden Schutzstatus erhalten, und auch von einer Reduzierung der Flüchtlingszahl gesprochen.
10 Fragen an 20.000 Mitglieder
Nun lässt die Sozialdemokratie in einer Online-Befragung zum Thema Flüchtlinge 20.000 der rund 200.000 Parteimitglieder zu Wort kommen. Die Partei wendet dieses Instrument zum zweiten Mal an. Schon im Juli des Vorjahres hat die SPÖ ihre Mitglieder online zum Thema Bildung befragt - damals haben sich fast 5000 Mitglieder beteiligt.
In zehn Fragen will man etwa eine Einschätzung des Asyl-"Richtwerts" haben und fragt, ob Asylanträge künftig nur in Hotspots möglich sein und ob Asylverfahren generell beschleunigt werden sollen. Auch der Wunsch nach einheitlichen Asylstandards in der EU wird abgetestet, weiters eine Umstellung der Grundversorgung auf Sachleistungen und die Debatte um die Mindestsicherung. Die aktuelle Asyl-Befragung läuft seit Freitag und noch bis Mitte der Woche.
Der Politikwissenschafter Laurenz Ennser nennt der "Wiener Zeitung" zwei Gründe, weshalb man eine Mitgliederbefragung durchführt - die SPÖ spricht von einer Online-Befragung, denn eine Mitgliederbefragung müsste vom Parteivorstand angeordnet werden und alle Mitglieder erfassen. Erstens: Man will wirklich wissen, was die Mitglieder denken, um daraus Handlungen abzuleiten. Zweitens: Man hat eine Entscheidung getroffen und will diese absichern lassen. Ennser vermutet, dass es sich im Fall der SPÖ-Befragung um eine Unterstützung für einen Richtungsschwenk handeln könnte.
Absicherung eines Richtungswechsels
Denn seiner Einschätzung nach ist die Mehrheit der SPÖ-Mitglieder eher für als gegen Obergrenzen. Aber grundsätzlich herrsche zum Thema Flüchtlinge in der SPÖ eine große Meinungsvielfalt.
Der Politikwissenschafter belegt das mit einer Umfrage, die das Institut für Staatswissenschaft vor der Nationalratswahl 2013 unter allen Nationalratskandidaten gemacht hat. Eine der Fragen lautete: "Wie streng soll Österreich sein bei der Auswahl von Asylwerbern?" Die SPÖ-Kandidaten hätten da über die gesamte Skala verteilte Antworten gegeben, also eine sehr große Streuung ausgewiesen, während sowohl die Grün-Wähler als auch die FPÖ-Wähler ganz eindeutige Antworten gegeben hätten und auch die ÖVP-Kandidaten ein klareres Bild abgegeben hätten. "Asyl ist ein Thema, wo die SPÖ sich weniger einig ist als alle anderen Parteien", sagt Ennser. Es zeige sich insgesamt, dass Parteien bei Themen, die nicht ihre Kernthemen sind, heterogene Antworten haben. Es sei Aufgabe der politischen Eliten, Konflikte dieser Art auszutragen und am Ende politische Entscheidungen zu treffen. Eine Umfrage könne ein Orientierungspunkt für die Parteieliten sein.
"In Umbruchzeiten müssen Politiker Flagge zeigen"
Gerold P. (Name geändert), der seit 37 Jahren ein SPÖ-Parteibuch sein Eigen nennt, formuliert das ähnlich. "Gerade in Umbruchzeiten - und in einer solchen befinden wir uns - müssen Politiker Flagge zeigen. Wenn Politiker unterschiedliche Flaggen zeigen, wird es schwierig", sagt der Beamte P. Er wolle aber nicht in das allgemeine Gejohle gegen die Parteiführung einstimmen, schließlich sei das Umfeld für die Politik äußerst schwierig.
"Bruch zwischen Mitgliedern und Mandataren"
Genossin Gabriele V. - seit fast 50 Jahren SPÖ-Mitglied - ist da weniger gnädig. "Die Partei zerstört sich selbst, weil sie unglaubwürdig wird." Anstatt Politik in Parteiaussendungen zu betreiben, sollten die Funktionäre Bildungsarbeit wieder ernst nehmen, Argumente für oder gegen ein Thema sammeln, damit vor das Parteivolk treten und eine Meinung bilden. "Alle Genossen und Genossinnen die ich kenne, haben Flüchtlingshilfe geleistet. Und da sehe ich einen systematischen Bruch zwischen den Mitgliedern und den gewählten Mandataren", sagt Gabriele V., die bei der Umfrage schon ihren Unmut zum Ausdruck gebracht hat. Die SPÖ dürfe ihre Grundwerte nicht verraten.