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Die schnellsten Sterne der Milchstraße sind Ausreißer aus anderen Galaxien.
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Cambridge/Wien. Ein Stern packt seine Sachen und macht sich aus dem Staub: Die Vorstellung ist Stoff für Zeichentrickfilme, der Plot allerdings keineswegs erfunden. Denn manche Sterne reißen tatsächlich von zu Hause aus, berichten britische Astronomen. Ihnen zufolge wurden die schnellsten Sterne in unserer Milchstraße gar nicht hier, sondern in Nachbargalaxien geboren. Auch die Milchstraße könnten sie einmal verlassen, um als gefährliche Geschosse weiter durchs All zu sausen.
Die stellaren Sprinter, auch Hochgeschwindigkeitssterne genannt, stammen aus der Großen Magellanschen Wolke, berichtet das Team der britischen Universität Cambridge in den "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society". Der kleineren Nachbargalaxie, die die die Milchstraße umkreist, seien sie bei Explosionen entkommen.
Wenn innerhalb eines Doppelsternsystems einer der beiden Sterne explodiert, wird der andere mit enormer Gewalt weggeschleudert. Er nimmt eine derartige Geschwindigkeit an, dass er der Schwerkraft seiner Galaxie entkommen kann - ein bisschen, als würde eine Rakete mit Antrieb die Erdanziehungskraft überwinden. Der Stern rast in die Milchstraße und wird von ihr aufgenommen.
Bisher wurden 20 Hochgeschwindigkeitssterne am Nachthimmel der nördlichen Hemisphäre beobachtet. Ihre Herkunft gibt Astronomen Rätsel auf. Einer Theorie zufolge wurden diese blau leuchtenden Himmelskörper vom Zentrum unserer Galaxie, in dem ein supermassives Schwarzes Loch sein Unwesen treibt, an den Rand geschleudert. Anderen Szenarien zufolge könnten sie von zerfallenen Zwerg-Galaxien oder chaotischen Sternenhaufen stammen. Warum sie bisher nur in der Nordhemisphäre gesichtet wurden, und dort nur in den Sternbildern Löwe und Sextant, war bisher unbekannt. "Keine Erklärung war zufriedenstellend", betont Erstautor Douglas Boubert in einer Aussendung der Universität Cambridge.
400 Kilometer pro Sekunde
Je enger die beiden Himmelskörper eines Doppelsternsystems einander umkreisen, desto rasanter werden sie in ihren Umlaufbahnen. Wenn einer der beiden als Supernova explodiert, bricht die Bindung. Der verbleibende Stern schießt davon - Astronomen klassifizieren ihn somit als Ausreißer. Nur kleine, superschnelle Galaxien können Ausreißer hervorbringen - die Dynamik der Milchstraße wäre dafür quasi zu behäbig. Die Große Magellansche Wolke ist die größte und schnellste eines Dutzends von Zwerg-Galaxien, die die Milchstraße umkreisen. Sie ist mit 400 Kilometern pro Sekunde unterwegs. Ähnlich wie eine Kugel, die aus einer Pistole von einem fahrenden Zug abgefeuert wird, rasen Ausreißer-Sterne mit Druckgeschwindigkeit plus dem Tempo ihrer Heimatgalaxie. Und da die Große Magellansche Wolke nur zehn Prozent der Masse unserer Galaxie besitzt, entkommen sie ihrer Schwerkraft spielend. "Diese Sterne wurden sozusagen aus einem Express-Zug abgefeuert - kein Wunder, dass sie so schnell sind," beschreibt es Ko-Autor Rob Izzard. Daraus erkläre sich auch die Position: Sie seien entlang des Orbits der großen Magellanschen Wolke in Richtung Sextant und Löwe katapultiert worden.
Basis der Erkenntnisse sind Beobachtungen und Messdaten des Sloan Digital Sky Survey - eine Durchmusterung von einem Viertel des Himmels mit Hilfe von Aufnahmen in fünf Wellenlängen und Spektroskopie einzelner Objekte. Das Teleskop dieses internationalen Projekts betrachtet zwar nur einen Teil des Nachthimmels, kann aber wesentlich schwächere Objekte erfassen als frühere Himmelsdurchmusterungen. Den Fluchtweg der Sterne simulierten die Forscher mit Computermodellen. Sie gehen davon aus, dass an die 10.000 Ausreißer durch die Milchstraße sausen.
Doch nicht nur Sterne, sondern auch Planeten vagabundieren durch den Kosmos. Im englischen Fachjargon "Rogue Planets" oder zu Deutsch Nomaden-, Weisen- und interstellare Planeten genannt, handelt es sich um massereiche planetare Objekte, die nicht ihre Sonne, sondern Galaxien direkt umkreisen. Sie wurden entweder aus Sonnensystemen herausgeschossen oder waren nie an einen Stern gebunden. Allein in der Milchstraße sollen Millionen von Planeten auf eigene Faust unterwegs sein.