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Wenn die "Times" zum Boulevard wird

Von Bernhard Baumgartner

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Dass Qualitätsmedien auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren, ist ein Lamento, das weder neu ist noch besonders originell. Und doch ist es manchmal berechtigt. Denn was man von der britischen "Times" hört, ist mehr als besorgniserregend. Die Zeitung hat als Qualitätsblatt immer noch einen guten Ruf - auch wenn das Top-Segment längst dem "Daily Telegraph" gehört, während sich die "Times" immer mehr in Richtung mid-market zu verabschieden scheint. Die "Times", die immerhin seit 1788 unter diesem Namen erscheint, wurde in den achtziger Jahren von Rupert Murdoch aufgekauft und nun scheint der Abhörskandal, den Murdochs Boulevard-Blätter mit unseriösen bis kriminellen Methoden lostraten, auch auf die "Times" überzuschwappen: Auch dort soll sich ein Reporter Zugang zu geheimen Informationen in einem Mailaccount verschafft haben. Dass der Mann nicht mehr bei der "Times" ist und man dort um Aufklärung bemüht ist, kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch für Qualitätsjournalisten immer schwerer wird, gerade Linien mit hohen ethischen Standards zu halten. Vor allem wenn sie in einem Konzern erscheinen, bei dem es in manchen Blättern Usus zu sein scheint, jegliche Beißhemmung fahren zu lassen.

Gerade vom Qualitätsjournalismus erwartet sich die Öffentlichkeit aber zu Recht, sich an die Regeln zu halten. Das ist weniger eine Frage des Anstands als vielmehr der Glaubwürdigkeit. Wer auf den eigenen Nachrichtenseiten gegen Regeln verstößt, kann nicht auf der Meinungsseite moralische Werte einfordern.