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Wenn die Werbetrommeln dröhnen

Von Petr Senk

Europaarchiv

Prag - Eine österreichische Pensionistin, ein portugiesischer Fischer und eine spanische Busfahrerin sind jene Personen, die die Tschechen überzeugen sollen, in der für Mitte Juni geplanten EU-Beitritts-Volksabstimmung für eine Mitgliedschaft zu stimmen. Alle drei tauchen nun auf 1.250 großflächigen farbigen Billboards auf und laden in die EU ein. Die Plakate überfluten jetzt als Teil der gerade begonnenen Regierungs-Kampagne für den EU-Beitritt das ganze Land.


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Zwar deuten die bisherigen Umfragen auf ein klares "Ja" in dem Referendum hin. Das sozialdemokratisch-christlich-liberale Kabinett des Ministerpräsidenten Vladimir Spidla, das in seinem Programm den EU-Beitritt als die außenpolitische Priorität Nummer eins hat, will allerdings nichts dem Zufall überlassen.

"Die Kampagne sollte die meisten Leute über 18 Jahre ansprechen, wobei man sich auf Frauen, Rentner und gleichgültige Wähler konzentriert", erläuterte der Chef der mitbeauftragten PR-Firma "Carat". Petr Majerik spielte damit darauf an, dass die EU-Skeptiker sich gerade aus diesen drei Gruppen rekrutieren. Man wolle den Eindruck erwecken, dass die EU nicht nur eine Gemeinschaft für junge und erfolgreiche Menschen sei. So seien die meisten Groß-Plakate vor Einkaufszentren platziert worden, hieß es.

Bessere Zukunft

Die 200 Millionen Kronen (6,34 Mio. Euro) teuere Regierungs-Kampagne wird durch Fernsehwerbung ergänzt. Hier kommen ein irischer Computer-Experte, eine finnische Beamtin und ein griechischer Café-Besitzer zu Wort. Alle drei erzählen in den halbminütigen Spots vom Bildschirm ihre Lebensgeschichten. "Wir haben Hunger, Unterdrückung und fremde Herrschaft erlebt (...) unsere Sprache war fast verschwunden. Schließlich hat es (der EU-Beitritt) uns auf die Beine gestellt und Irisch gibt es sowohl in den Schulen sowie in den Ämtern. Und unser Bier ist immer ausgezeichnet", versichert der in Dublin ansässige Ire James O'Reily.

Die Chefin der Regierungs-Kampagne, Jana Adamcova, des Prager Außenministeriums verriet dabei, dass das Einzige, was an den Personen echt ist, ihre Nationalität sei. Alles Übrige, einschließlich der Namen, seien die Arbeit von PR-Profis. "Es handelt sich um klassische Werbung, in die man eine große Menge von Informationen hineinzwängen will, vor allem darüber, in welcher Situation sich das Land vor und nach dem EU-Beitritt befand" und befindet, so Adamcova.

Ab Mitte Mai schließen sich auch Zeitungen und Zeitschriften mit Inseraten, die Informationen über die EU enthalten, der Regierungs-Kampagne an. Etwa zwei Wochen vor der Volksabstimmung wird nach der "Einladungs-Phase" die "Appell-Phase" kommen. Die Tschechen sollen dann aufgefordert werden, den Termin des Referendums am 13. und 14. Juni nicht zu vergessen und in die Abstimmungslokale zu kommen - und natürlich mit Ja zu stimmen.

Auch Gegner machen mobil

Unterdessen meldeten sich die Gegner des tschechischen EU-Beitritts zu Wort. Die Kommunisten (KSCM), die als einzige politische Parlamentspartei die EU-Mitgliedschaft ablehnen, hatten schon vor mehreren Tagen die Bürger aufgefordert, unter den gegebenen Beitritts-Bedingungen mit Nein zu votieren. Die Regierung habe darüber hinaus keinen ausreichenden "Polster" für die Anpassung der Bürger in die EU-Strukturen geschaffen, argumentierte der KSCM-Vizechef Miroslav Ransdorf auf einer 1.-Mai-Kundgebung in Brünn.

Auch die konservative Vereinigung "Bürger gegen die EU" kündigte an, sie werde die Wähler auffordern, gegen die EU-Mitgliedschaft zu stimmen. In der EU sieht die Bewegung ein "sozialistisches Experiment", dessen bürokratische Strukturen eine erfolgreiche Entwicklung des Landes behindern könnte. "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!!!" steht auf einem der Plakate der Vereinigung als Warnung - in Anspielung auf den beflügelten Satz aus dem "Kommunistischen Manifest" von Karl Marx und Friedrich Engels.

Bisherige Umfragen zeigen, dass sich eine klare Mehrheit der Wähler in Tschechien für den EU-Beitritt aussprechen wird. Die Schätzungen liegen zwischen 60 und 70 Prozent, wobei man 70 bis 80 Prozent der Wähler in den Abstimmungslokalen erwartet.