Hier kann man sich rund um den Globus essen, ohne Berlin zu verlassen. Von Brasilien bis Tadschikistan. Doch was tun, wenn man so richtig österreichisch schlemmen und zechen will?
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Ein Sprichwort sagt, in Berlin gebe es an jeder Kreuzung drei Kneipen und eine Apotheke. In der Tat verfügt die deutsche Hauptstadt über nicht weniger als 9200 Restaurants, Gaststätten, Imbissstuben und Cafés.
In der Branche mangelt es nicht an Österreichern. Eine Kette prunkvoller Restaurants gehört zum Beispiel dem Salzburger Josef "Joe" Laggner, dem "Gastro-König" von Berlin. Auf "Kunst, Kultur und Kulinarik" hat sich Sarah Wiener, die Tochter des legendären Schriftstellers Ossi Wiener, spezialisiert und betreibt vornehmlich Museumsgastronomie.
Eine "Tante Jolesch" fehlt ebenso wenig wie ein "Wiener Stüberl", wo Frau Steffi schon einmal ein Szegediner Gulasch kocht oder Zwetschgenknödel serviert. Eine besonders pfiffige Idee ist das "No Kangaroo", das eine hölzerne Almhütte mitten ins finsterste Kreuzberg transferiert hat. An der Bar vermitteln ausrangierte Sessellift-Sitze das entsprechende Baumelfeeling.
Meine neueste Entdeckung ist ein kleines Lokal in Schöneberg, das den eigenartigen Namen "Diodata" trägt. Zunächst wurde eine kleine Lektion in Wiener Kaffeehausgeschichte fällig, denn ich muss gestehen, mit dem Namen nichts angefangen zu haben. Und so typisch österreichisch klingt der ja nicht gerade. Ist er auch nicht, sondern eine latinisierte Form des armenischen Owanes Astouatzatur, woraus griechisch Johannes Theodat und schließlich Johannes Diodato wurde.
Mein tief verwurzeltes Vorurteil, Georg Kolschitzky sei der erste Kaffeehausbetreiber in Wien gewesen, musste ich über Bord werfen. Es war der gewiefte Händler Diodato, der als Dank für die Beschaffung osmanischen Silbers für die Wiener Münze das Privileg erhalten hatte, Kaffee als Getränk auszuschenken. Auf Nr. 14 der Rotenturmstraße findet man die Hinweistafel auf das erste Wiener Kaffeehaus, das hier gestanden war. Seit sieben Jahren gibt es sogar auf der Wieden einen kleinen Beserlpark, der seinen Namen trägt - so wie das Lokal im Herzen von Schöneberg.
Inspiriert durch den mundwässernden Internet-Auftritt reservieren wir einen Tisch für eine kleine Familienfeier und treten erwartungsfroh in das "Wiener Café & Restaurant". Erster Eindruck: Überschaubare Größe, aber pieksauber, gemütlich, aber ohne Schischi. Die adrette Bedienung spricht zwar kein "Ösisch", aber ist so freundlich, dass ich mich frage: Bin ich denn noch in Berlin?
Blunzngröstl, Kaasnocken, das obligate Wiener Schnitzel werden aufgetischt, eins schmeckt köstlicher als das andere, die Salate knacken vor Frische und Wein wie Bier runden das Wohlgefühl des entwöhnten Wieners samt Anhang ab. Alles frisch, alles gschmackig, alles authentisch. Selten habe ich ein so zartes Schnitzel - vom Tiroler Milchkalb - gegessen. Und dann tritt er auf.. .
Er ist Markus Müller, 46, und stammt aus dem Pitztal. Eine wohlabgerundete Persönlichkeit in schneeweißer Kochschürze und ebensolcher Mütze. Ein Koch, wie er im Buch steht, oder wie er in dem bezaubernden Disney-Animationsfilm "Ratatouille" als Küchenlegende Gusteau dargestellt wird. Wie man sich in Berlin der massiven Konkurrenz erwehren kann, beantwortet er im gutturalen Tirolerisch: "Man muaß halt Ideen ham". Und die hat er: Jeden Mittwoch zum Beispiel ein Tiroler Bauernbüffet, an dem man sich die Backen vollstopfen kann zum Pauschalpreis. Sein neuester Hit: "Wir servieren das Frühstück ans Bett."
Ein Stück österreichischer Esskultur an der Spree: Die Stunde, wenn Diodata kommt.. .
Markus Kauffmann, seit 25 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.