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Der "Gentleman Udo Jürgens", wie Andreas Rauschal ihn in seinem Nachruf auf Seite 17 nennt, starb an einem Sonntagnachmittag. Es ist vielleicht diesem kleinen Detail geschuldet, dass es bis zum Montag dauerte, bis die Wogen der Trauer und des Unglaubens ob des überraschenden von Udo Jürgens beim Publikum so richtig hochbrandeten. Kaum eine Zeitung, die nicht mit dem Bild des Stars auf der Titelseite erschien, keine Nachrichten, in denen Jürgens nicht Spitzenthema war, und selbst der Teletext vermeldet das Ableben in großen, sonst für Katastrophen vorgesehenen Lettern. Wie weit die Beliebtheit des Klagenfurters reichte, kann man erahnen, wenn man die Einmütigkeit sieht, mit der sich die Meldungen im ganzen deutschsprachigen Raum verbreiteten. Hier ging nicht nur ein außergewöhnlicher Sänger. Hier ging nicht einer, der auf dem Niveau der Klatschspalten abzuhandeln war, hier ging eine moralische Instanz, ein Nachdenker, dessen Texte weit über das Etikett "Schlager" hinausgehen. Insofern ist es nur verständlich, dass sich auch am Montag noch dutzende Kulturmeldungen so gut wie nur um das eine Thema drehten - bis hin zu kuriosen journalistischen Perlen wie "In Griechenland kannte ihn kaum einer" oder "Petzners Diplomarbeit bleibt unvollendet". Aber so ist die Nachrichtenbranche: Eher wird diskutiert, wer von wem abgekupfert hat, anstatt zu reflektieren, warum es unter heutigen Bedingungen, wo Stars schneller wieder unten als oben sind, schwer wird, das Standing eines Udo Jürgens aufzubauen. Der "Gentleman" wird so schnell nicht entthront werden.